Wainwood House - Rachels Geheimnis
für königliche Prinzen oder junge Lords zu begeistern, machte Penelope auf dem Absatz kehrt und schlug den Weg zum Garten ein. Natürlich ging es nicht an, dass sie ohne angemessene Begleitung den Saal verließ, doch wieder half ihr das Gedränge. Geschmeidig bewegte sie sich zwischen den Feiernden hindurch, wich einem Tablett voll mit Champagnerkelchen aus und tauchte unter einem tief hängenden Palmenwedel hindurch. Dann war sie im Freien.
Im Garten hinter dem Haus flanierten einige verstreute Grüppchen. Die Damen hatten sich in ihre Stola gewickelt oder nach ihrem Schal schicken lassen. Herren eilten mit Erfrischungen herbei, boten ihren Arm zum Geleit an oder erklärten Sternbilder am wolkenlosen Firmament. Der Lärm des Balls blieb zusammen mit der strahlenden Helligkeit der großen Kristalllüster im Saal zurück. Die Musik flirrte nur gedämpft bis in den Garten hinaus, durchsetzt von fernen Gesprächsfetzen und wohltemperiertem Gelächter. In den Baumwipfeln schwebten bunte orientalische Lampions, doch es war dunkel genug, um den anderen Gästen auszuweichen. Penelope ruinierte ihre neuen Schuhe endgültig, als sie über den Rasen huschte, um zwischen den Fliederbüschen in Deckung zu gehen.
Solchermaßen geschützt vor fremden Blicken, konnte Penny nach mehreren Stunden endlich durchatmen. Sie betrachtete die hell erleuchteten Fenster, die eleganten Gestalten und das ganze farbenprächtige Treiben aus der Entfernung, als könne sie es erst dadurch tatsächlich begreifen. Über ihr standen die Sterne am Himmel und eine dünne Mondsichel stieg über die Dächer. Sie war derart in die abendliche Szenerie versunken, dass sie erschrocken zusammenfuhr, als in einiger Entfernung eine Salve von Feuerwerkskörpern in die Nacht geschossen wurde. Sie sah sich suchend um und reckte den Hals, doch das Spektakel war zu weit weg, und sie konnte nicht mehr als ein rotgrünes Aufleuchten in der Ferne ausmachen. Gerade als sie sich wieder umdrehen und ins Haus zurückschleichen wollte, bemerkte sie in den Sträuchern hinter sich eine Bewegung. Die Zweige raschelten, als sie zur Seite gebogen wurden und sich eine Gestalt mit leuchtend weißer Hemdbrust durch sie hindurchbahnte.
Penelope kam der Gedanke, dass dies genau die Art von Ungemach war, vor dem ihre Tante sie so eindringlich gewarnt hatte. Sie drückte sich mit einem Mann in den Büschen herum und war auf dem besten Wege, ihren Ruf am Abend ihres ersten Balls für alle Zeiten zu ruinieren. Wenn sie um Hilfe schrie, würde das einen saftigen Skandal nach sich ziehen. Hätte sie ihren Fächer dabeigehabt, hätte sie dem Mann damit einen Schlag auf den Arm versetzen können, um auf diese Weise ihre Abneigung kundzutun. Doch wie Tante Mildred bereits mehrmals tadelnd angemerkt hatte, war ihr Fächer zu Hause liegen geblieben. Ihr blieb also nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass der fragliche Gentleman in den Büschen so zurückhaltend wie verschwiegen sein würde.
»Wie kommt es eigentlich, dass Sie sich ständig verstecken, wenn wir uns über den Weg laufen?«, klang Lord Nyles’ gedämpfte Stimme zwischen den frisch sprießenden Blüten hervor.
»Warum zeigen Sie einen solchen Eifer, mich dennoch zu finden?«, schoss Penelope aus Gewohnheit zurück, obwohl sie in Wahrheit unsäglich erleichtert war.
»Nehmen Sie sich nicht für wichtiger, als Sie sind«, wiederholte Lord Nyles ebenjene Worte, mit denen er sie einst unverhohlen beleidigt hatte, nur dass er jetzt nicht mehr verletzend klang, sondern so, als würde er eine Schacheröffnung spielen, auf die sie sich vor langer Zeit geeinigt hatten.
»Wieder einmal erweisen Sie sich nicht als Gentleman«, nahm Penelope pflichtschuldig ihr altes Gefecht wieder auf.
»Gott sei Dank«, beteuerte Lord Nyles ernsthaft. »Denn sonst könnte ich weder Frösche ins Teegeschirr schmuggeln noch mich mit Ihnen in den Büschen herumdrücken.«
Penelope bedauerte, dass sie keinen Fächer zur Hand hatte, um ihm einen Schlag zu versetzen, der allerdings kein bisschen Abneigung kundgetan hätte.
»Man wird Sie im Saal vermissen«, behalf sie sich mit Worten. »Wenn auch weniger für Ihre Frösche, vielmehr wegen Ihrer Tanzkünste.«
»Die Begeisterung der Damen im Saal hat mit meinen Tanzkünsten so wenig zu tun wie mein charmantes Lächeln oder mein einnehmendes Naturell«, behauptete Lord Nyles ungerührt. »Vielleicht hätte ich tatsächlich ein paar Amphibien mitbringen sollen.«
Jetzt konnte Penelope ihr Lachen
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