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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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zerbarst ein weiterer Feuer werkskörper und erinnerte Penelope wieder daran, wo sie war und mit wem. »Es war ein elendig langer Abend, doch Seine Majestät wirkte kein bisschen gelangweilt und Königin Alexandra hat sogar gelächelt. Wahrscheinlich ist das eine Frage der Übung«, räumte sie ein. »Und als wenn sich mit einem einzigen Knicks mein ganzes Leben tatsächlich verändert hätte, muss ich mir jetzt so lange die Füße beim Tanzen zertrampeln lassen, bis sich jemand um meine Hand bemüht.«
    Obwohl Penny im übertragenen Sinne gesprochen hatte, fühlte sie, wie Lord Nyles nach ihrer Hand tastete und sie stumm drückte. Seine Berührung war so tröstlich, dass sie es nicht über sich brachte, ihm die Finger zu entziehen, nur um den Anstand zu wahren. Und vermutlich spielte das auch keine Rolle mehr, nachdem sie sich bereits beide gemeinsam im Gebüsch versteckten.
    Obwohl sie es plötzlich gar nicht mehr so eilig hatte, wieder aus den Zweigen hervorzukommen, zog Nyles sie hinter sich her auf den gewundenen Weg. Als sie unter den Lampions ankamen, erkannte Penelope, dass sie inzwischen allein im Garten waren. Die anderen Gäste hatten sich auf der Terrasse versammelt, um einen besseren Blick auf das Feuerwerk zu haben. Über ihnen in den Bäumen schaukelten sachte die bunten Papierlaternen im Wind.
    Nyles drehte sich zu ihr herum, ohne ihre Hand loszulassen, und Penelope erkannte, dass dies der Augenblick war, von dem all die Mädchen in dem hell erleuchteten Ballsaal träumten. Nicht der Tanz mit einem unbeholfenen Mr Sworthing und auch nicht Claires überfüllte Tanzkarte, sondern allein dieser Moment mit einem jungen Mann auf einem Gartenweg, in der untrüglichen Gewissheit, seine Hand nie wieder loslassen zu wollen. Die Erkenntnis traf sie lautlos und überwältigend. Sie ließ nichts mehr von der alten Penny zurück, die sie gerade eben noch gewesen war.
    Irgendwo, unvorstellbar weit weg, explodierte der nächste Feuerwerkskörper, und Penelope begriff, dass Lord Nyles etwas zu ihr gesagt hatte. Er sah sie abwartend an. Mit einem Schlag kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Denn in Wahrheit war Lord Nyles natürlich kein bisschen an ihrer Hand oder dem ganzen Rest von ihr interessiert. Er hatte sie sogar losgelassen und Penny war sich des Verlustes schmerzhaft bewusst. Der schönste Augenblick ihrer ersten Saison gründete auf einer kurzen, flatterhaften Hoffnung, die einer näheren Betrachtung nicht standhalten würde.
    »Entschuldigen Sie?«, murmelte Penny wenig schlag fertig und hob eine Hand an das Ohr, um vorzu täuschen, dass sie durch das Knallen des Feuerwerks kein Wort verstanden hatte. Der junge Mann hielt ihr etwas Winziges entgegen und sie streckte automatisch die Hand danach aus.
    »Sie haben noch Schulden bei mir«, erklärte Lord Nyles. Ausnahmsweise klang er kein bisschen draufgängerisch oder selbstherrlich.
    Penelope sah in ihre geöffnete Hand. Die Mistelbeere, die er hineingelegt hatte, hob sich kaum von dem weißen Abendhandschuh ab. Sie starrte sie eine geraume Weile an, ohne ein Wort zu sagen. Es war ein vertrocknetes kleines Ding, schon ein bisschen gelblich verfärbt, nachdem sie seit dem Weihnachtsball in Lord Nyles’ Fracktasche gesteckt hatte. »Ein wahrer Gentleman würde eine Dame nicht an ihre Schulden erinnern«, behauptete Penelope endlich lächelnd.
    Doch Lord Nyles erwies sich zum Glück nicht als wahrer Gentleman. Er schloss ihre Finger um die Beere. Seine andere Hand passte perfekt in ihren Nacken, als er sich hinabbeugte, um sie zu küssen. Alles an diesem Kuss auf dem Gartenweg war ehrlicher als die strikten Benimmregeln oder die heimlichen Mädchenträume. Er fühlte sich warm und fest und sanft an, noch voller Scheu, doch unbestreitbar und echt. Von der Terrasse schallte Gelächter zu ihnen herüber, das schon im nächsten Augenblick in lauten, aufgeregten Gesprächsfetzen wieder unterging. Doch der anschwellende Krach hatte ausgereicht, um sie wieder auseinanderfahren zu lassen. Nyles hielt ihre Hand noch immer umschlossen, doch er hatte ihren Nacken losgelassen. Plötzlich kam Penelope der grauenhafte Gedanke, dass dies vielleicht nur einer dieser Küsse war, den junge Leute in einem unverhofften Augenblick der Ungestörtheit austauschten, ohne dass deswegen später ein Eheversprechen gemacht wurde. Ein schneller Blick zur Seite überzeugte sie davon, dass es Nyles vermied, sie anzusehen. Während alle zwischenmenschlichen Bereiche, angefangen von der

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