Wainwood House - Rachels Geheimnis
Wainwood und ein ominöses Totenbuch glauben würde.
»Du kannst das Motorrad nehmen und alle Orte abklappern, die infrage kommen«, schlug Maurice vor. »Ich bleibe hier in der Wohnung und warte für den Fall, dass der Colonel zurückkommt.«
Trotz der erschreckenden Neuigkeiten, die erst vor wenigen Minuten mit Samuel zur Tür hereingeplatzt waren, wusste Julian, dass Maurice für gewöhnlich kein selbstloser Mensch war. Seine Arroganz war unübersehbar und er führte stets etwas im Schilde. Nur wenige Menschen hätten ihn freundlich genannt.
»Danke«, sagte Julian schlicht. »Das wäre ungeheuer hilfreich, Maurice.«
Erst als er den Namen ausgesprochen hatte, bemerkte er seinen Fehler. Samuels Blick schoss prompt durch den Flur zu Maurice hinüber. Er bewies damit überdeutlich, dass er Julians Verhalten in der Weihnachtsnacht auf der frostigen Terrasse richtig eingeschätzt hatte. Maurice seinerseits schien weder Samuels Überraschung zu entgehen noch die Geschwindigkeit, mit der sein Schulkamerad plötzlich in seinem Zimmer verschwand. Julian wollte verhindern, vor den beiden jungen Männern vollends die Fassung zu verlieren. Er griff wahllos nach einem Mantel und schloss die Schublade seines Sekretärs auf. Im obersten Fach lag der Revolver, mit dem er im Hof geübt hatte. Die Trommel des Magazins war leer geschossen, aber es lag noch ein aufgerissenes Patronenpäckchen daneben. Er steckte beides ein.
Als er sich herumdrehte, sah er Samuel hinter sich im Raum. In seinem Blick las er Unbehagen und Vorsicht. »Ich kann nicht untätig abwarten«, erklärte der Diener, wohlwissend, dass es ihm nicht zustand, Forderungen zu stellen. »Ich hätte Jane beschützen sollen, stattdessen habe ich mich einfach mit einer Botschaft wegschicken lassen.«
Julian verdrängte hartnäckig den Gedanken, dass es ganz allein die Sorge um Jane war, die Sam hierher getrieben hatte, bis in Felthams Wohnung, bis in dieses Zimmer. »Dann begleiten Sie mich«, schlug er vor und nahm einen zweiten Mantel aus dem Schrank, denn auf dem Motorrad würde es kalt sein und die Nacht brach an. »Das Motorrad besitzt einen Beiwagen. Ich werde weiß Gott jede Hilfe brauchen, die ich kriegen kann.«
Samuel zögerte. Seine Zweifel sprachen überdeutlich aus seiner angespannten Haltung. Julian wollte schon seine Hand fallen lassen, doch dann griff der Diener nach dem Mantel und folgte ihm auf den Flur hinaus. Maurice stand wartend an Tür. Sein Gesicht war wieder die übliche, makellose Maske. Er reichte Julian wortlos die Liste und sie verschwanden im Treppenhaus.
Penelope zuckte zusammen, als ihr der ehrenwerte Horace Sworthing zum dritten Mal auf denselben Fuß trat. Er verfügte über das besondere Talent, stets ihren kleinen Zeh zu treffen. Und inzwischen schmerzte sie nicht mehr nur der Anblick seiner schmutzigen Abdrücke auf ihren neuen Satinschuhen. Mr Sworthings freundliches Gesicht war vom Tanzen verschwitzt. Der schwarze Frack spannte sich straff über seinen massigen Schultern. Eine verschwenderische Menge Brillantine verhalf seinem Haarschopf zu einem starren Glanz. Insgeheim war Penny dankbar für eine Mode, die ihnen beiden Handschuhe vorschrieb, sodass sie nicht gezwungen war, ihre Finger in seine feuchte Pranke zu legen. Es war ihr sechster Tanz an diesem Abend und Mr Sworthing ihr vierter Tanzpartner. Mit mehr Hingabe als Geschick führte er sie durch den Saal. Auch dass sie Tante Mildreds bohrenden Blick durch die Menge hindurch in ihrem Nacken spürte, steigerte nicht gerade ihr Vergnügen.
Inzwischen hatte Penelope gelernt, am Gesichtsausdruck ihrer Tante abzulesen, ob ihr Tanzpartner eine annehmbare Partie darstellte oder lediglich ein Trostpreis war. Mildred lauerte in einem Rudel hoffnungsvoller Mütter und gestrenger Anstandsdamen am Rande der Tanzfläche. Sobald ein junger Mann in Sicht war, der eines Tages Titel und Vermögen erben würde, blitzte hinter den flatternden Fächern ein wohlwollendes Lächeln auf. War der bedauernswerte Tanzpartner dagegen nur ein jüngerer Sohn oder gar ein Bürgerlicher, bildeten sich steile Falten zwischen den Augenbrauen und die Mundwinkel sanken voller Geringschätzung herab. Bis auf Pennys zweiten Tanz mit einem wortkargen Herrn, dessen Haaransatz bereits an den Schläfen zurückwich, war sie bisher nur von Gentlemen aus der zweiten Kategorie aufs Tanzparkett geführt worden.
Doch das Einzige, was noch schlimmer war, als sich auf den Füßen herumtrampeln zu lassen und die
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