Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
Vom Netzwerk:
sich auch nicht in den endlosen unterirdischen Gängen des Berges. Und die Grabkammer stürzte nicht über ihr ein. Doch wie üblich fand sie auch dieses Mal ihren Vater nicht wieder. Stattdessen tastete sie sich blind den Gang entlang, bis sie einen ersten Luftzug spürte und einen unsteten Lichtschein sah. Jane blieb gerade noch rechtzeitig stehen, verborgen in der Dunkelheit, um nicht entdeckt zu werden, als der Mann, der die Fackel in die Höhe hielt, sich zu ihr umwandte. Nach Stunden absoluter Finsternis blendete sie das Licht, und Jane musste sich abwenden, bevor sie sein Gesicht erkennen konnte. Die panische Angst davor, dass er sie dennoch wie ein Tier in den Tiefen der Grabkammer gewittert haben könnte, riss sie aus dem Schlaf.
    Jane blinzelte in das schieferfarbene Halbdunkel der Dachkammer. Sie musste sich erst wieder erinnern, wo sie war. Obwohl keine Vorhänge vor dem Mansarden fenster hingen, fiel nur wenig Mondlicht herein. Die kargen Möbel verschmolzen mit den Dachschrägen zu verschiedenen Abstufungen von Dunkelgrau. Jane hielt noch immer ihre zusammengeknüllte Decke fest umschlungen. Ihre Brust hob und senkte sich unter heftigen Atemzügen. Wie schon zuvor hatte sich der Traum beklemmend echt angefühlt. Jane hatte den süßlichen Gestank der Grabkammer wahrhaftig riechen können und den rauen Felsen unter ihren Fingern gespürt. Ihre Beine schmerzten selbst nach dem Aufwachen noch, so als hätte sie tatsächlich Stunden lang am Boden gekauert. Unwillkürlich grub sie ihr Gesicht tiefer in ihr Kissen, um noch einen Rest Seifenduft aufzuspüren und den Stoff an ihrer Wange zu fühlen. Erst das leise Quietschen von Eisenfedern ließ sie aufsehen. Hanna saß senkrecht in dem Bett neben ihr, ein blasses Gesicht über einem weißen Nachthemd, und starrte aus weit aufgerissenen Augen zu ihr hinüber.
    »Hanna …« Jane kämpfte sich mühsam aus der verhedderten Decke und fluchte, als sie sah, wie zerwühlt selbst die Laken waren. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie der Albtraum von der ägyptischen Grabkammer immer wieder aufs Neue heimgesucht. Die letzten beiden Male seit ihrer Ankunft auf Wainwood. Doch wenn es nach Hannas befangenem Gestammel am nächsten Morgen ging, schlief sie auch in übrigen Nächten unruhig und redete wirres Zeug im Traum. Das schien Hannas anfängliche Schüchternheit im Laufe der Wochen in nacktes Entsetzen verwandelt zu haben, denn sie konnte es am Morgen kaum erwarten, die Dachkammer zu verlassen. Wenn Jane am Abend in ihr gemeinsames Zimmer zurückkehrte, lag das andere Mädchen bereits mit dem Gesicht zur Wand in ihrem Bett und gab vor zu schlafen. Nun setzte Jane sich gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie Hanna die Beine aus dem Bett schwang und zur Tür eilte.
    »Estanni, Hanna!«, rief Jane ihr hinterher. Erst als die Worte schon hinaus waren, bemerkte sie, dass sie ohne nachzudenken arabisch gesprochen hatte, wie sie auch noch immer auf Arabisch träumte und dachte. Die Tür fiel mit einem lauten Knall hinter dem flüchtenden Dienstmädchen ins Schloss. Unter der Wucht des Aufpralls bröckelte einmal mehr der Putz von der Wand. Mit einem gequälten Seufzer ließ Jane sich zurück in die Kissen sinken. Leises Geklapper von Türen auf dem Gang und gedämpfte Stimmen verrieten ihr, dass Hanna bei einer ihrer Freundinnen Unterschlupf fand und in dieser Nacht nicht mehr zurückkehren würde.
    Jane brauchte nicht allzu viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die mollige Hanna zu der irischen Spülmagd unter die Decke kroch und die beiden Mädchen eng aneinander gekuschelt zu tuscheln begannen. Auch nach nunmehr drei Wochen war sie noch immer der Gegenstand gehässigen Tratsches. Die eine Hälfte der Dienstboten hielt sie für eine Zigeunerin, die andere für eine Wilde aus einem fernen Land am anderen Ende der Welt. Da die Wahrheit nicht halb so aufregend war, wie die Schauergeschichten, die über Jane kursierten, hatte sie keinerlei Chance, sich gegen die Gerüchte zu wehren, ganz abgesehen davon, dass so gut wie niemand von den Dienstboten wahrhaft mit ihr gesprochen hatte. Sie wurde so sorgfältig gemieden, als könne schon eine unbedachte Berührung eine ansteckende Krankheit übertragen. Jane hatte mit angehört, wie Beatrice einem der Küchenmädchen erklärte, dass alle Zigeuner Läuse hätten, weil sie zusammengepfercht in engen Kastenwagen hausten, und dass die ganze Truppe gemeinsam auf dem nackten Boden neben dem Lagerfeuer schlafen würden, die Männer

Weitere Kostenlose Bücher