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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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Rolle des romantischen Helden in den Tagträumen sämtlicher Hausmädchen inne. Die maßgeschneiderte Livree mit den Wappen der Goodalls auf den Messingknöpfen betonte seinen geraden Wuchs. Er besaß dieselben klassischen Züge wie die Marmorskulpturen im Garten und seine blonde Frisur hätte auch dem jungen Dorian Grey gut zu Ge sicht gestanden. Der einzige Verdruss, den er allen Damen des Hauses fortwährend bereitete, war die ewig gleiche Freundlichkeit, mit der er die verschreckten Küchenmädchen und illustren Gäste gleichermaßen bedachte. Er gab allen Frauen, die seinen Weg kreuzten, das Gefühl, willkommen, aber keiner den Eindruck, etwas Besonderes zu sein. Gerade, als würden die hingebungsvollen Blicke so spurlos an ihm abgleiten wie ein Lächeln aufs Mr Frosts verschlossenem Gesicht.
    »In meinem ersten halben Jahr habe ich tagelang nur Holz gehackt und Schuhe geputzt«, nahm Samuel den Faden auf. »Ich habe den Dreck von den Sohlen gekratzt und die Schnürsenkel gebügelt. Ich bekam eine Liste von Aufgaben in die Hand gedrückt, aber niemanden, der mit gezeigt hätte, wie sie zu bewältigen waren. Meine Finger wurden niemals richtig sauber. Ich habe jeden Abend mit dem Kopf unter der Decke geweint und die anderen Burschen haben mir tote Mäuse unters Kissen gelegt.«
    »Was ist dann passiert?«, wollte Jane wissen, denn es war augenscheinlich, dass Samuel heute keine dreckigen Finger mehr hatte. Und die Ausbeute der Mäusefallen sah er bestimmt nur noch von Weitem.
    »Irgendwann wurde es besser«, sagte er schlicht. »Eines Tages werden die anderen feststellen, dass Sie sich genauso abrackern wie sie auch. Einer der älteren Dienstboten wird ein freundliches Wort an Sie richten. Und spätestens im nächsten Jahr wird jemand auf Wainwood ankommen, der Ihren Platz als neues Mädchen einnimmt. Mit etwas Glück genügt das.«
    »Aber das ist ungerecht!«, begehrte Jane auf.
    Neben ihr streckte Samuel seine langen Beine aus. Er begann mit einem der Tannenzapfen zu spielen, die der kleine Benjamin feinsäuberlich in einer Reihe an dem Stein entlang aufgereiht hatte. Er wirkte in seiner schwarzen Abendlivree mit Weste, Handschuhen und Fliege in dem Unterschlupf so deplatziert wie ein Paar polierter Lackschuhe an den schlammigen Ufern der Themse. »Die anderen Hausmädchen haben lange auf den Stoff für ihre Schürzen und Kleider gespart«, sagte er scheinbar zusammenhangslos. »Sie haben sich mit irgendwelchen niederen Arbeiten auf einem Bauernhof oder in den großen Städten durchgeschlagen und abends an dem Rüschenbesatz ihrer Hauben genäht. Sie haben versucht, so schnell wie mögliche eine feste Anstellung in einem guten Haus zu finden, um ihrer Familie nicht länger zur Last zu fallen. Familien, die sie nur noch einmal im Jahr sehen können, weil ein halber freier Tag im Monat nicht ausreicht, um sie öfter zu besuchen. Verlangen Sie nicht zu viel von ihnen.«
    »Ich habe ihnen nichts getan«, setzte Jane sich unwirsch zur Wehr. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt und starrte angriffslustig in den finsteren Wald hinaus.
    »Sie haben ein besseres Leben geführt und mehr von der Welt gesehen als sie«, widersprach Sam ihr mit jener unerträglichen Sanftmut, die sie ihm in jeder anderen Situation hoch angerechnet hätte, die sie jetzt aber in den Wahnsinn trieb. »Sie haben als Fremde eine Stelle bekommen, für die andere Mädchen lange hätten kämpfen müssen. Und dabei wissen Sie nichts von all den alltäglichen Dingen, die für sie selbstverständlich sind. Halten Sie das für gerecht?«
    »Ich hatte niemals vor, Hausmädchen zu werden!«, fauchte Jane ihn an, doch sie kam dabei nicht umhin, sich kläglich und verlassen zu fühlen.
    »Und Sie setzen damit alles herab, worauf die anderen Mädchen jemals hoffen können«, konterte Samuel so mühelos wie nachsichtig.
    Jane legte den Kopf in den Nacken und seufzte entnervt. Als Antwort bekam sie ein flaches Päckchen entgegengehalten.
    »Schokolade«, stellte Samuel trocken fest, »Sie machen den Eindruck, als könnten Sie welche gebrauchen.«
    Jane starrte das Päckchen so gierig an, als hätte er ihr, gleich einem heidnischen Hohepriester, den Kelch des ewigen Lebens dargereicht. Es war Monate her, dass sie Schokolade gegessen hatte. Sie war eine seltene Kostbarkeit, die in Ägypten nur in den großen Städten zu kaufen gewesen war. Als sie dennoch zögerte zuzugreifen, warf Sam ihr die schmale Tafel kurzerhand in den Schoß.
    »Wo haben Sie

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