Wainwood House - Rachels Geheimnis
mir das auch gelingen.«
»Ich wusste gar nicht, dass Lady Claire eine so begeisterte Jägerin ist«, wagte Samuel zu bemerken.
»Ich würde sagen, das kommt auf die Beute an«, rutschte es Julian trocken heraus. Ein weiterer stummer Blickwechsel bestätigte beiden, dass sie den Bogen überspannt hatten. Dies war kein Thema, über das ein Gentleman sprechen oder ein loyaler Diener klatschen sollte. Samuel hielt dem jungen Mann die Tür auf und überreichte ihm zum Abschluss die Reitgerte. Eine Waffe war bei der Fuchsjagd nicht vonnöten. »Obacht vor den Gräben, Sir«, brachte Sam sie beide wieder in weniger gefährliche Gewässer.
»Ich werde mir die allergrößte Mühe geben«, versprach Julian und schritt den Flur hinab. Einen Moment lang blieb der Blick des Dieners an seinem Rücken haften, doch schon eilten die Mädchen herbei, um das geräumte Schlafzimmer wieder in einen tadellosen Zustand zu versetzen, und Samuel stieg die Stufen des Dienstbotentreppenhauses hinab, um im Speisesaal das Geschirr abzuräumen.
Vor dem Haus wurden inzwischen die ersten Pferde herangeführt. Die Tiere waren in den Ställen hingebungsvoll umsorgt worden, doch jetzt zuckten ihre Ohren vor Unruhe und sie tänzelten nervös auf dem Kies herum. Die Hundemeute sammelte sich unter den wachsamen Augen des Hundemeisters zwischen den Bäumen des Parks. Aufgeregtes Gebell hallte über die Hecken hinweg bis zu den Jägern. Es waren rotgesichtige, stämmige Gentlemen, die schon von Kindesbeinen an zur Jagd ritten, und junge Stutzer, die gerade ein kleineres Vermögen für ihr erstes eigenes Jagdpferd ausgegeben hatten. Alter Landadel, der seit so vielen Generationen der Jagdsaison frönte, wie rauschende Bälle gefeiert, Töchter vermählt und Söhne zum Militär geschickt wurden. In den Städten mochten neuartige Telefongesellschaften entstehen und in den Büros die eisernen Tasten gewaltiger Schreibmaschinen klappern, es mochte immer mehr Universitäten geben, die Frauen als Studenten akzeptierten, und immer mehr Automobile auf den Straßen, doch der Takt, in dem das Herz der englischen Gesellschaft schlug, wurde noch immer von den adeligen Familien vorgelebt. An diesem klaren Novembermorgen, durchdrungen, doch nicht gewärmt vom Licht einer fernen Sonne, erschien es undenkbar, dass sich daran jemals etwas ändern würde.
Noch während die ersten Reiter im Sattel saßen, eilten die Hausdiener hin und her, um ihnen Portwein in silbernen Kelchen und Platten voller Häppchen zur letzten Stärkung anzubieten. Das Rot der Jagdjacketts hob sich leuchtend von den weißen Hosen der Jäger ab, von den schwarz glänzenden Zylindern und den hohen Reitstiefeln. Es waren nur wenige Frauen zwischen ihnen und sie stachen umso deutlicher hervor. Schwarz gewandete Reiterinnen, die sich in den Damensätteln und mit einem zarten Schleier vor dem Gesicht ausgesprochen elegant ausnahmen.
Es war entschieden schwieriger, sich seitlich im Sattel sitzend auf dem Pferd zu halten, selbst mit einer Hose unter den weiten Röcken, sodass die meisten Damen es vorzogen, im Bett zu frühstücken, anstatt ihren Hals auf einem wilden Ritt über das Gelände zu riskieren. Dennoch war Penny nicht überrascht, Claire inmitten der Jäger zu entdecken. Sie tätschelte ihrem Wallach begütigend den Hals. Ihre Haare unter dem Zylinder waren so kunstvoll festgesteckt worden, wie die Mähne ihres Pferdes geflochten war. Die Tiere trabten an. Penelope brachte ihre Stute an Claires Seite. Sie ritten in einem Tross von Reitern, die der Hundemeute folgten, die Kieswege des Parks hinab geradewegs auf die offene Flur zu.
»Du wirst dir noch die Frisur zerzausen«, stellte Penelope nüchtern fest, als die Pferde sich in einer gemächlicheren Gangart warm liefen. »Wenn nicht gar außer Atem geraten.«
Obwohl Claire in geradezu majestätischer Haltung im Sattel thronte, konnte Penny die Anspannung in ihren Augen ablesen, und an der Entschiedenheit, mit der sie ihre Zügel umklammert hielt. Zweifellos bereitete es ihr keine große Freude, mit der Jagd zu reiten. Claire hatte verschwitzten, dampfenden Pferden schon immer deutlich weniger abgewinnen können als Penny. Doch die Fuchsjagd war eine famose Gelegenheit, ein wenig Zeit abseits der Anstandsdamen in der Gegen wart eines jungen Gentlemans zu verbringen. Und Claire hatte ihr Ziel klar vor Augen.
Trotz aller Entschlossenheit hatte ihr Gesicht eine ungesunde Blässe angenommen. Prompt ging es Penny ein wenig besser. Es kam nicht
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