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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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sollen. Ich werde Mr Frost bitten, sich mit ein paar Dienern im Hause umzusehen, um ganz sicherzugehen, dass der Einbrecher tatsächlich geflohen ist.«
    Sein Tonfall bedeutete ihr, dass die Unterhaltung damit beendet war. Ein Gentleman war den Dienstboten keinerlei Erklärung darüber schuldig, wo er sich des Nachts herumtrieb und welche Entdeckungen er dabei machte. Doch während Beatrice umkehrte, um die anderen Hausmädchen wieder zurück in ihre Kammern zu scheuchen, blieb die kleine Gruppe auf dem Dachboden zurück. Erst als sie ganz sicher waren, dass Beatrice sie nicht mehr hörte, fragte Mr Rushforth: »Also haben wir alle vier einen leibhaftigen Horus gesehen?«
    Jane nickte frierend. Sie hatte den Schal ihrer Mutter auf der Flucht verloren. Allein Hannas Umarmung bot ihr auf dem zugigen Dachboden ein wenig Wärme. »Er sah genauso aus wie seine Statuen oder wie die Papyruszeichnungen mit einem Falkenkopf und einem menschlichen Körper«, bestätigte sie. »Horus, der Schutzgott Ägyptens.«
    »Aber er schien so echt zu sein«, warf Lady Penelope ein. »Kein bisschen überirdisch, sondern ganz aus Fleisch und Blut.«
    »Und er war nicht besonders schicklich gekleidet«, fügte Hanna verschnupft hinzu. Neben ihr brach Jane in ein hysterisches Kichern aus. Darüber verflog der beklommene Nachhall des Spuks allmählich. Auch die jungen Herrschaften schienen sich wieder daran zu erinnern, dass sie in Morgenmantel und Nachthemd auf dem Dachboden standen, und sie alle fröstelten nicht nur wegen der unheimlichen Erscheinung.
    »Was mag er nur hier oben gewollt haben?«, fragte Lady Penelope, während sie auf die Stelle starrte, an der Horus zuletzt gestanden hatte. »Und wie ist er ins Haus hereingekommen?«
    Jane glaubte ihrem Tonfall und ihrer Wortwahl zu entnehmen, dass die junge Dame nicht an eine göttliche Erscheinung aus einem vorchristlichen Zeitalter glaubte. Insgeheim stellte sie sich dieselbe Frage, doch im Gegensatz zu Lady Penelope hatte Jane den Falkengott nicht zum ersten Mal gesehen. Ihr Blick fiel auf Hannas blasses Gesicht und dann auf die jungen Herrschaften, die scheinbar aus dem Nichts auf dem Dachboden aufgetaucht waren. Doch die beiden machten nicht den Eindruck, als würden sie ihnen erklären wollen, was sie nachts auf den Speicher geführt hatte, und Jane durfte sie nicht fragen.
    Mr Rushforths Blick ruhte einen Moment lang nachdenklich auf den Dienstmädchen, oder vielleicht auch nur auf Jane, bevor er sich zum Gehen wandte. »Das werden wir heute Nacht nicht mehr in Erfahrung bringen«, gab er sanft zu bedenken. »Wir sollten alle wieder in unsere Betten gehen. Ich will nur noch Mr Frost Bescheid geben, für den Fall, dass noch mehr ägyptische Gottheiten ihr Unwesen im Haus treiben.«
    Er ließ Lady Penelope an der Treppe den Vortritt und nickte den beiden Dienstmädchen noch einmal zu. »Sie waren beide sehr mutig. Versuchen Sie jetzt noch etwas zu schlafen. Gute Nacht.«
    Als Jane den beiden nachsah, fiel ihr auf, dass sie offenbar kein Licht brauchten, um sich zurechtzufinden, geradeso als wären sie nicht zum ersten Mal auf dem Dachboden gewesen. Wenn sie sich nicht zwischen den Kisten versteckt hatten, dann konnte sie nur im Glockenturm gewesen sein. Was die Schritte auf den Dielen erklärte, die sie gehört hatten, nicht aber das Auftauchen des Horus.
    »Also hat es doch einen Spuk gegeben«, flüsterte Hanna, als sie nebeneinander in ihren Betten lagen. Sie hatten einen Stuhl unter die Türklinke geschoben und sicherheitshalber unter ihren Betten nachgesehen, bevor sie die Kerze gelöscht hatten. Jetzt lagen sie mit der Decke bis zum Kinn hochgezogen da, ohne einschlafen zu können.
    »War es ein Spuk?«, fragte Jane nachdenklich zurück. »Oder ein Mann?«
    »Hast du jemals zuvor einen solchen Mann gesehen?«
    Darauf gab Jane lieber keine Antwort, denn sie hätte nicht beschwören können, was sie damals in Amuth Beli tatsächlich gesehen hatte. War es ein Trugbild gewesen, hervorgerufen durch Hitze und Durst? Ein Schattengespenst zwischen den Statuen und Wandmalereien? Oder hatte sie eine leibhaftige Prozession von Hohepriestern und heidnischen Göttern gesehen, die an ihrem Versteck vorübergeschritten war, auf ihrem Weg hinab in die Grabkammer? Doch selbst, wenn Jane sich in jenen endlosen Stunden in den unterirdischen Gängen nicht mehr auf ihre Sinne hatte verlassen können, so war doch noch jemand anderes dort gewesen. Denn sie hatte im Dunkeln ausgeharrt, irgendjemand

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