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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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hinausfolgte, konnte niemand Claire einen Mangel an Zielstrebigkeit vorwerfen. Eine Tugend, die ihr und Julian auf der Suche nach ihrer eigenen Zukunft vollständig abging. Stattdessen beschäftigte sich Penelope lieber mit der Familienvergangenheit oder Rätseln, die nicht ihre eigenen waren.

7. KAPITEL Schleichpfade
    G anz Wainwood mochte den Anschein erweckt haben, den Ansturm der Gäste mit unerschütterlicher Eleganz zu bewältigen. Die mächtigen Säulen ragten noch immer ungerührt neben dem Portal auf, Blumenvasen waren im ganzen Haus mit kundiger Hand ausgerichtet worden und keinem der Dienstboten war beim Servieren auch nur eine der blank polierten Gabeln aus der Hand gefallen. Doch in Wahrheit herrschte hinter den Kulissen bereits seit dem frühen Morgen die hektische Betriebsamkeit eines Heerlagers vor dem Ausrücken der Tru ppen. Da war zum einen das opulente Frühstück für mehr als doppelt so viele Herrschaften wie gewöhnlich, zum anderen die Abreise mit Bergen von Koffern und Taschen. Danach folgte das große Aufräumen, als der Gästeflügel endlich wieder verlassen dalag. Doch Jane bewegte sich inzwischen schon ein wenig sicherer in dem verzweigten Getriebe des Herrenhauses. Als Mrs Chambers sie mit einem Stapel frischer Laken in das Zimmer seiner Lordschaft schickte, fasste sie einen Plan. Jane reichte die Laken an Beatrice mit der Botschaft weiter, dass sie Hanna heute bei den Gästezimmern helfen sollte. Bei Hanna aber entschuldigte sie sich dafür, dass sie im Speisesaal einspringen musste, solange die Hausdiener das Gepäck der Gäste verluden. Auf diese Weise blieb ihr mit etwas Glück eine halbe Stunde Zeit, bevor wieder jemand nach ihr fragen würde.
    Ganz, wie es von einem Dienstmädchen erwartet wurde, verwandelte sich Jane im Treppenhaus zu einem unauffälligen Schatten, als sie nach oben bis in die Mansarden schlich. Der Flur, von dem die Kammern der Hausmädchen abgingen, lag verlassen da, und auf den Stufen zum Dachboden schlug ihr der muffige Geruch entgegen, den wahrscheinlich alle Speicher des Königsreichs gemein hatten. Bei Tage lauerten keine Gespenster zwischen den behäbigen Schrankkoffern, und das Licht, das durch die verschmutzten Fenster der Dachschrägen fiel, war milchig weiß.
    Sie hielt am oberen Treppenabsatz einen Moment lang inne, in Erinnerung an die Geschichte, die Hanna ihr über den Geist des kleinen Mädchens erzählt hatte. Jane malte sich in Gedanken aus, wie Rachel hier oben verstecken gespielt hatte. Für Kinder musste es nach dem steifen Diktat der Etikette und der ehrwürdigen Ruhe in den herrschaftlichen Räumen ein unerhörtes Abenteuer sein, sich bis auf den Boden hinaufzuschleichen. Bestimmt konnte man zwischen den Balken mit alten Decken wunderbare Höhlen bauen und in den Koffern nach verborgenen Schätzen suchen. Hanna hatte auch beim Frühstück noch darauf beharrt, dass sie vor Jahren hier ein blondes Mädchen in einem langen weißen Hemd gesehen hatte, doch Jane glaubte weniger an Geister von Toten als vielmehr an die Lebenden. War es nicht viel wahrscheinlicher, dass Hanna die junge Lady Penelope gesehen hatte, die offenbar genauso gern auf den Dachboden schlich wie einst ihre tote Vorfahrin?
    Mit der frisch erstarkten Überzeugung, dass es keine Geister geben konnte und sich für alle übernatürlichen Erscheinungen eine Erklärung finden würde, schritt Jane den Weg ab, den sie in der Nacht schon einmal genommen hatte, der Länge nach über den ganzen Speicher bis zu dem Glockenturm. Dort war wie aus dem Nichts der Horus aus ihren Albträumen aufgetaucht. Und dort hatte jemand nach ihrem Namen gerufen. Nicht Hanna, die an der Treppe gestanden hatte, sondern vielmehr Lady Penelope, die mit Mr Rushforth oben auf dem Glockenturm gewesen sein musste. Ob sie die beiden wohl bei einem heimlichen Rendezvous gestört hatte? Schließlich waren sie keine leiblichen Geschwister und sie standen sich augenscheinlich sehr nahe.
    Genau wie in der vergangenen Nacht blieb Jane unterhalb des Glockenturms stehen. Jetzt brauchte sie keine Kerze. Sie stand alleine in dem lang gezogenen Dachstuhl, und als sie sich um ihre eigene Achse drehte, konnte sie alles gut erkennen. Eine würdevolle Büste mit einer abgeschlagenen Nase. Ein leerer Vogelkäfig, der auf einem zerschrammten Lederkoffer abgestellt worden war. Klobige Schränke, eine Schneiderpuppe und zerbrochenes Spielzeug. Auf alldem lag eine dichte Staubschicht und an den Balken arbeiteten die Spinnen

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