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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
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gehalten«, erklärte Penelope mit so viel Würde, wie sie im Nachthemd und auf Wollsocken aufbringen konnte. Wenigstens hatte sie sich nicht wie Claire die Locken aufgedreht, sondern trug einen mädchenhaften Zopf. Dennoch hoffte sie mit verzweifelter Dringlichkeit, dass niemand die Treppe hinaufkommen würde und sie so zusammen sah. »Lauern Sie wieder auf andere Leute Geheimnisse, Lord Nyles?«, rutschte es ihr heraus, noch bevor sie sich mit aller zur Gebote stehender Vernunft auf die Zunge beißen konnte.
    Verblüfft stellte Penny fest, dass Nyles ertappt aufsah, doch schon im nächsten Moment stieß er sich von dem Fenstersims ab und schlenderte betont gleichgültig auf sie zu, mit jedem Zoll in die leichtfertige Arroganz eines jungen Dandys gewandet.
    »Dieselben Geheimnisse, denen auch Sie nachspüren?«, fragte er ungerührt zurück, als er vor ihr stehen blieb. Penelope stellte fest, dass sie ärgerlicherweise zu ihm aufsehen musste, um ihn mit einem Blick voll eisiger Verachtung zu bedenken. Für solche Blicke auf nachtfinsteren Galerien ließen sich echte Damen von ihren Zofen parfümieren und in seidene Morgenmäntel hüllen. Penny hatte weder eine eigene Zofe noch einen Parfümflakon, aber sie zog die Strickjacke etwas enger um sich. »Sind Sie mir oder dem Colonel heute Morgen auf den Friedhof gefolgt?«, antwortete sie mit einer Gegenfrage.
    »Nehmen Sie sich nicht für wichtiger, als Sie sind«, riet Nyles ihr spröde, und Penny verspürte den dringenden Wunsch, ihn zu ohrfeigen. Doch sie blieb nur mit vor der Brust verschränkten Armen stehen und presste voll grimmiger Entschlossenheit die Lippen aufeinander.
    »Sie sind so wenig Colonel Felthams Freund, wie Sie ein Gentleman sind«, zischte sie ihn an. »Warum spionieren Sie meinem Onkel nach? Und warum haben Sie sich damals vor den beiden Reitern in der Scheune versteckt?«
    Eine geraume Weile starrten sich die beiden an, wie zwei feindliche Kontrahenten bei einem mitternächtlichen Duell. Von ihrer Komplizenschaft auf dem Friedhof war nichts mehr geblieben. Doch dann setzte Lord Nyles widerstrebend zu einer Erklärung an: »Ich hatte heute Morgen vor dem Gottesdienst die beiden ägyptischen Reisenden in der Nähe der Kirche bemerkt. Ich folgte ihnen über den Friedhof. Sie haben mich zu der Kapelle geführt. Als ich mich näher heranschlich, entdeckte ich Sie hinter der Engelstatue.«
    »Aber Sie waren schon einmal dort, nicht wahr?«, hakte Penelope sogleich nach. »Sie kannten das Loch im Fenster bereits und den hervorstehenden Sims.«
    Lord Nyles räumte dies mit einem Kopfnicken ein. Er schien kurz mit sich zu ringen, bevor er ihr einen Vorschlag machte: »Eine Antwort für eine Antwort. Was haben die Männer in der Kapelle besprochen?«
    »Dafür schulden Sie mir mehr als nur ein Nicken«, forderte Penny, musste aber insgeheim zugeben, dass sein Angebot einiges für sich hatte. »Die beiden Fremden wollten den Colonel davon überzeugen, sich ihnen anzuvertrauen. Sie sprachen davon, ein Unrecht wiedergutzumachen und eine Schuld zu tilgen. Mein Onkel war nicht geneigt, ihrem Anliegen stattzugeben.«
    Bildete sie es sich ein oder unterdrückte Lord Nyles gerade ein amüsiertes Schnauben? »Das kann ich mir vorstellen, noch dazu an diesem Ort«, antwortete er schon sehr viel versöhnlicher.
    »Wieso an diesem Ort?«, wollte Penny wissen.
    »Haben Sie das noch nicht erraten? In der Kapelle liegt seine verstorbene Frau. Er ist nach der Jagd im November schon einmal dort gewesen«, erklärte Nyles jetzt bereitwillig.
    »Was interessiert Sie meine Tante Rachel?«, fragte Penelope ehrlich neugierig. »Und was kümmert Sie mein Onkel, Colonel Feltham?«
    Bevor er antworten konnte, wurde im Erdgeschoss eine Tür aufgerissen. Licht flutete aus dem Saal heraus und zwei schlanke Gestalten traten in das Entree. Die Musik übertönte ihr Gespräch, aber Penny erkannte einen schwarzen Frack und die lange Schleppe eines Ballkleides. Die beiden Gäste standen unschicklich nah beieinander, ohne zur Galerie hinaufzusehen, offenbar ganz vom Anblick des jeweils anderen gefangen. Obwohl sie nur wenige Sätze wechselten, hatten sie vertraulich die Stimmen gesenkt. Als der Mann die Finger der Dame zum Handkuss an seine Lippen hob, schien es sich nicht allein um eine formvollendete Höflichkeit zu handeln. Dann trat die Dame zurück durch die Tür, während ihr Begleiter in die entgegengesetzte Richtung entschwand. Obwohl die Tür wieder zugezogen wurde und niemand

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