Wakolda (German Edition)
Puppenwerkstatt nur hobbymäßig.
»An wen sollte ich die verkaufen? Ich verschenke sie ...«
»Das sollten Sie aber nicht!«
Verwundert über den heftigen Ton sah Tomás von der Puppe auf, die er gerade bearbeitete.
»Das ist doch nicht irgendein Ramsch, das sind Kunstwerke! Dafür zahlen die Leute jeden Preis. In Bariloche bekommt man solche Puppen ja gar nicht.«
Er wies auf eine der Skizzen: ein Paar von einer Eisenkonstruktion gehaltene, in den Kopf einer Porzellanpuppe eingelassene, bewegliche Augen.
»Und was ist das hier?«
»Ach, das sind so kleine Spinnereien von mir«, antwortete Enzo lachend.
Hinter Enzos scherzhaftem Ton witterte José Resignation. Liliths Vater war um einiges begabter, als es den Anschein machte. Nicht nur in der Verarbeitung von Porzellan, auch in anderen Handwerkskünsten. Seine besondere Hingabe galt der Mechanik. Wenn er Zeit fand, brütete er über Maschinenentwürfen, die er aber noch niemals jemandem gezeigt hatte. José wartete, dass er die frischen Porzellankörperteile in den Ofen schob, damit sie noch einmal eine letzte Ladung Hitze abbekamen.
»Haben Sie noch nie an Massenanfertigung gedacht? Sie könnten Dutzende von perfekten Babypuppen anfertigen, alle Ihre Entwürfe umsetzen …«
»Das ist wahnsinnig teuer«, wandte Enzo ein.
José lächelte siegesgewiss.
»Nicht wenn man einen Investor findet.«
»Wer sollte denn …«
»Ich.«
Tomás und sein Vater tauschten einen verblüfften Blick. José griff nach seinem Koffer.
»Es wäre ein gutes Geschäft, Enzo. Denken Sie darüber nach.«
Ohne ein weiteres Wort verließ er die Werkstatt. Die Zeit für weitere Überzeugungsarbeit würde sich schon noch finden. Womöglich biss Enzo auch von ganz allein an, der Glanz in seinen Augen war José nicht entgangen. Munter pfiff er ein Liedchen vor sich hin. Im Speisesaal setzte er sich, obwohl einige Gäste ihn zu sich an den Tisch baten, wieder abseits. Luned erschien mit einem Pilzrisotto und warb über die Maßen für das Tagesgericht.
»Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht von dem Lamm kosten möchten? Das Fleisch ist besonders zart, es zergeht einem auf der Zunge.«
Die Hausgehilfin war plump und hatte immer schweißige Hände. José dachte lieber nicht daran, dass sie auch das Essen zubereitete. Er schüttelte den Kopf. Eine Viertelstunde später saß er mit einem Verdauungstee in einem quietschenden Schaukelstuhl auf der Terrasse. Mit einem Mal drang Liliths glucksendes Lachen zu ihm. Sie machte in der Dunkelheit Jagd auf Glühwürmchen. Er winkte sie zu sich und besah sich den Käfer, den Lilith zwischen ihren Händen gefangen hielt.
»Es ist ein Weibchen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Man erkennt es an der Größe … Weißt du auch, wieso sie leuchten?«
Lilith verneinte und ließ ihre Beute nicht aus den Augen.
»Um die Männchen anzulocken, die weiter oben fliegen. Wenn sie sich bedroht fühlen, machen sie das Licht aus. Mach mal ein bisschen auf.«
Lilith öffnete die Hände einen Spalt breit. Ohne Zögern steckte José seinen Zeigefinger in die dunkle Höhle und stubste das Insekt weiter nach hinten. Es kitzelte, Lilith biss sich auf die Lippen und hielt der Mischung aus Lust und Ekel stand. Das Licht des Glühwurms verlosch.
»Siehst du?«
»Und wie machen die das?«, staunte Lilith.
»Das ist Biolumineszenz. Glühwürmchen haben ein Leuchtorgan unter der Haut sitzen.«
»Das ist doch Quatsch.«
»Nein, wieso denn?«
»Sie können doch nicht immer alles wissen!«
Lilith schloss die Hände wieder ganz zur Kugel, José ließ seinen Finger einfach darin stecken.
»Und was passiert, wenn das Männchen auftaucht?«
»Dann paaren sie sich. Das Weibchen legt die befruchteten Eier unter die Erde. Vier Wochen später schlüpfen die Larven. Die Glühwürmchenlarven ernähren sich von Schnecken. Gehäuse- und Nacktschnecken, um genau zu sein. Die Larven legen die Schnecken mit einem Giftbiss lahm und saugen sie aus.«
»Ist das eklig.«
»Du hast etwas Ähnliches gemacht, als du klein warst.«
»Ich habe aber Milch getrunken.«
»Und die Larven trinken eben Schneckenpüree.«
Lilith kicherte.
»Sie sitzen in ihren Schlupfwinkeln, bis sie zu Puppen werden.«
»Sie werden zu Puppen?«
»Das ist ihr bester Moment. Er dauert höchstens zwanzig Tage.«
Mit einem Ruck zog José seinen Finger aus Liliths Hand. Das Glühwürmchen entwischte durch die Öffnung und war blitzschnell in der Dunkelheit verschwunden. Lilith hatte keine Chance.
»Und
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