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Wakolda (German Edition)

Wakolda (German Edition)

Titel: Wakolda (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Puenzo
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seit dem Untergang des Reiches ihre neue Religion gefunden hatten, saß eine porzellanene Babypuppe mit braunem Uniformkleidchen und starrte sie an. Nachdem der mächtige Mann die Begattung vollzogen und sich von ihr hinuntergewälzt hatte, stand Nora auf, steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, trat, nackt wie sie war, an das Regal und nahm die Puppe herunter. Kurz nach dem Liebesakt war der beste Augenblick für Fragen. Das Schwein, das sich da lustvoll im Bett rekelte, hatte schließlich weder Töchter noch Enkelinnen. Ob er etwa unter die Puppensammler gegangen sei, erkundigte sie sich.
    »Das ist eine Trophäe«, bekam sie zur Antwort.
    Sie hatten alles verloren und lebten ganz in ihren Mythen und Legenden. Nora kannte sie alle, sie war unendlich vielen falschen Fährten gefolgt. Sie besaß einen argentinischen Pass und sprach das Spanisch aus Buenos Aires, obwohl sie nur einige Jahre dort gelebt hatte. Bei einem der darauffolgenden Treffen war das Schwein dann endlich mit der Sprache herausgerückt und hatte ihr erklärt, seine kleine Porzellantrophäe sei der Beweis dafür, dass die hellsten Köpfe der Medizin noch am Leben waren. Genaues wusste er nicht, bloß dass der Kamerad, von dem das Geschenk stammte, aus Bariloche kam.
    Am nächsten Tag war Nora in den Süden aufgebrochen.
    Seit mehreren Jahren schon war sie ständig auf der Jagd. Das wenige, was vom Familienvermögen geblieben war, gab sie dabei mit vollen Händen aus. Doch da außer ihr niemand mehr am Leben war, verprasste sie das Geld ohne schlechtes Gewissen. Sie mietete sich in das Hotel Catedral ein und tat, was alle Touristen taten: Sie lieh sich ein Paar Skier, fuhr mit dem Lift den Berg hinauf und wedelte wieder zu Tal. Ihr Stil war tadellos: Sie fuhr ohne Stöcke, dafür mit lässigem Hüftschwung und äußerster Präzision. Um in die entsprechenden Kreise vorzudringen, musste sie geduldig abwarten, sie würden ihr schon in die Fänge gehen. Investieren musste man allerdings auch: die besten Hotels und Restaurants, ausgesuchte Garderobe. Sie musste allein auftreten, demonstrieren, dass sie verfügbar war. Schon bald gingen ihr die Ersten ins Netz. Sie beherrschte die Kunst der Konversation – und führte ihre Opfer dabei wie die Kälber zur Schlachtbank. Bei alldem galt es jedoch, immer größte Vorsicht walten zu lassen. Jede unangebrachte Frage konnte verdächtig wirken.
    An einem ungewöhnlich bewölkten Nachmittag – sie hatte die befestigte Piste verlassen und schlängelte sich den tannenbewachsenen Westhang des Berges hinunter – wurde Nora von dem slowenischen Bergwächter Otto Arko aufgegabelt.
    Die Frau ist lebensmüde
, dachte Arko, der sich mit diesen Dingen auskannte, als er sie zwischen den Bäumen hinunterschießen sah.
    Nora besaß den stoischen Gleichmut einer Überlebenden, die unzähligen ausweglosen Situationen entkommen war. Der Schnee wurde schon harschig, Nebel begann den Berggipfel einzuhüllen. Arko sauste im Zickzack zu Nora hinunter und kam einige Meter unter ihr schwungvoll zum Stehen.
    »Haben Sie sich verfahren?«
    »Das nehme ich an.«
    »Halten Sie sich an mich. Wir müssen zurück auf die Piste.«
    Anfangs vergewisserte er sich in jeder Kurve, dass sie dicht hinter ihm blieb. Doch da sie jedes Hindernis mühelos umfuhr, wählte er bald immer waghalsigere Abkürzungen. Sie trug eine tief ins Gesicht reichende Fellmütze, eine Skibrille und einen hohen Angorakragen, doch Arko hatte ihre Schönheit sofort erahnt. Unten im Ort, als Nora ihre vielen Kleiderschichten ablegte und ihm zum Dank einen Whiskey spendierte, konnte er sich Gewissheit verschaffen. Mit der Abmahnung, die er bekäme, weil er sich genau zu der Zeit aus der Dienstpflicht gestohlen hatte, da die Bergwächter am meisten gebraucht wurden, würde er sich am nächsten Tag befassen. Gerade an einem nebligen Nachmittag wie diesem verirrten sich viele Skifahrer. Andererseits konnte er ein solches Angebot unmöglich ausschlagen. Nora erkundigte sich, ob er sie die fünfzehn Kilometer von der Bergstation bis nach Bariloche hinunter im Auto mitnehmen konnte. Dass sie im nobelsten Hotel am Platze abgestiegen war, das zu den wenigen Unterkünften gehörte, die mit direktem Pistenzugang oben am Berg lagen, verschwieg sie. Sie gab die Ski ab und begleitete Arko zu seinem alten Volkswagen.
    Während der Autofahrt gab sie sich reserviert und starrte wie geistesabwesend aus dem Fenster. Sie entzog sich. Diese Taktik machte die Männer immer ganz wild.

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