Wald-Schrat
schien seine Lösung leicht zu verwirklichen sein: Schließlich hatte sich Imbri aufgelöst, um den Drachen den Ablenkungstraum zu senden. Doch gleichzeitig erschien es Forrest unklug, ausgerechnet jetzt auszuprobieren, wo sie mit ihrem Tun an die Grenzen stießen.
Von dieser Seite des Grabens ließ die Zugbrücke sich nicht bedienen, also konnte er den Graben auch nicht überschreiten. Um ihn aufzufüllen, wirkte er zu tief, außerdem hatte Forrest keine Schaufel, und die Uferböschung wirkte auch sehr hart. Doch wenn es hier wie in Xanth war, musste es einen Weg geben. Dieser Weg wollte einfach nur gefunden werden.
Imbri trat neben ihn. »Ich habe mir um Gräben nie Gedanken gemacht«, entschuldigte sie sich. »Ich bin einfach hinübergeschwebt, substanzlos, wie ich war.« Sie musterte einen Baum. »Könntest du denn nicht eine Brücke oder ein Floß bauen?«
»Und einen Baum fällen?«, fragte Forrest entsetzt. »Einen lebenden Baum? Niemals könnte ich das tun! Ich bin ein Baumhüter.«
»Verzeih mir, ich habe nicht nachgedacht. Aber vielleicht finden wir irgendwo totes Holz?«
»Das wäre kein Problem. Nur sehe ich leider keines.«
»Ich auch nicht. Aber was ist das da?«
Er sah in die Richtung, in die Imbri zeigte. »Ein umgedrehter Busch. Jemand muss ihn aus der Erde gerissen haben. Vielleicht können wir ihn noch retten.«
Sie gingen zu dem Busch, der sich in einem beschämenden Zustand befand: Seine Wurzeln ragten in die Luft, und die Blätter waren halb in den Boden gegraben. Trotzdem lebte die Pflanze. Forrest zog sie vorsichtig heraus und setzte sie richtigherum wieder ein, während Imbri mit den Händen Erdreich auf die Wurzeln scharrte.
Doch kaum ließ Forrest den Strauch los, als er sich umdrehte, ringsum Erde verschleuderte und sich wieder umgekehrt in den Boden senkte.
Sie erörterten dieses Phänomen. »Auf diese Weise kann er weder leben noch wachsen«, sagte Forrest. »Das ist ein ganz gewöhnlicher Strauch. Er braucht Erde an den Wurzeln und Sonne auf den Blättern.«
»Warum sollte er sich also selbst so umgekehrt zu seinen Bedürfnissen verhalten?«
»Umgekehrt«, murmelte Forrest. Ihm kam eine Idee. Er hob die Pflanze erneut. »Grab tiefer«, bat er Imbri. »Dort könnte ein Stück Kehrholz liegen.«
Imbri gehorchte, und einen Augenblick später hatte sie ihn gefunden: einen ansehnlichen Stecken Kehrholz. Als sie ihn auf die Wiese legte, wurde das Gras ringsum rot. Dann grub sie ein neues Loch für den Busch, und Forrest pflanzte ihn ein. Diesmal blieb er an Ort und Stelle, nachdem sie die Wurzeln mit Erde bedeckt hatten.
»Gewiss geht es ihm nun besser«, sagte Forrest zufrieden.
»Du weißt ziemlich gut, was Pflanzen brauchen.«
»Ja. Das kommt davon, wenn man sich an einen Baum bindet. Ich sehe es nicht gern, wenn es grünen lebendigen Pflanzen schlecht geht. Letztendlich bin ich deswegen hier.«
»Ja.« Wieder wirkte Imbri sehr nachdenklich.
»Wir müssen dieses Kehrholz irgendwohin bringen, wo es keinen Schaden anrichten kann«, beschloss Forrest. Er nahm es auf. Ihn beeinflusste es nicht, weil er kein magisches Talent hatte, das sich umkehren ließ. Natürlich war Kehrholz sehr merkwürdig; manchmal bewirkte es Umkehrungen sehr unerwarteter Art, wie Forrest bei seiner letzten Prüfung vor dem Schloss des Guten Magiers am eigenen Leib erfahren hatte.
Dann schwebte ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf. »Imbri – glaubst du, das Wasser in dem Graben könnte selbst magisch sein?«
»Magisch?«, fragte sie unschlüssig.
»Probieren wir es aus.« Vor der gehobenen Zugbrücke warf er den Kehrholzstecken in den Graben.
Das Wasser erschauerte und erstarrte. Es war nicht etwa gefroren, nur fest. Forrest setzte vorsichtig einen Huf darauf, dann den anderen. Das Wasser fühlte sich an wie fester Borden. In diesem Teil des Grabens war sein natürliches Flüssigsein umgekehrt worden.
Imbri folgte ihm. »Du hast es geschafft!«, rief sie. »Darauf wäre ich nie gekommen.«
»Ich beinahe auch nicht«, gab er zu. »Man darf eben nicht vergessen, dass in der Umgebung von Humfreys Schloss nichts ohne Grund existiert. Wir können froh sein, dass das Kehrholz das Wasser diesmal nicht in Feuer verwandelt hat.«
Als sie am inneren Ufer ankamen, blieb die Zugbrücke hochgezogen. Mit ihren schweren Bohlen versperrte sie Forrest und Imbri den Eingang ins Schloss. Deshalb gingen sie nach links, das den grünen Schimmer des Hin aufwies, und bogen um die Ecke.
Vor ihnen hielten
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