Walden Ein Leben mit der Natur
möglichst viele Kaminziegel aus. Die Lücken dazwischen füllte ich mit den Steinen des Seeufers, und auch
-2 2 9 -
den Mörtel stellte ich aus seinem weißen Sand her. Da der Kamin der wichtigste Teil des Hauses ist, ließ ich mir mit der Arbeit an ihm sehr viel Zeit. Ich arbeitete wirklich so bedächtig, daß, wenn ich frühmorgens am Boden begann, mir die wenigen Ziegelreihen, die sich abends vom Boden erhoben, Nachtkissen dienten. Dennoch kann ich mich nicht erinnern, einen steifen Nacken davongetragen zu haben. Mein steifer Nacken ist
älteren Datums. Um diese Zeit hatte ich vierzehn Tage lang einen Dichter bei mir wohnen, weshalb ich aus Raummangel meine Zuflucht zum Kamin nahm. Mein Gast brachte sein
eigenes Messer mit, obwohl ich selbst zwei besaß, die wir reinigten, indem wir sie in die Erde stießen. Wir teilten uns die Arbeit des Kochens. Ich freute mich, mein Werk so gleichmäßig und gediegen fortschreiten zu sehen, und dachte mir, wenn es so langsam vor sich gehe, würde es auch von Dauer sein. Der Kamin ist bis zu einem gewissen Grade ein selbständiges Gebäude, das sich durch das Haus zum Himmel erhebt. Als sichtbares Zeichen seiner Bedeutung und Selbständigkeit bleibt er auch oft noch bestehen, wenn das Haus abgebrannt ist. Ich hatte Ende des Sommers mit seinem Bau begonnen, nun war es November.
Der Nordwind hatte das Seewasser schon etwas abgekühlt, obwohl er noch viele Wochen lang tüchtig blasen mußte, ehe ihm das wirklich gelang; so tief ist das Wasser. Machte ich abends Feuer an, dann zog der Kamin wegen der vielen
Spalten in meinen Bretterwänden besonders gut. Und doch verbrachte ich noch so manchen vergnügten Abend in meiner kühlen, luftigen Behausung, umgeben von den rohen braunen Brettern voller Astknoten und den nicht abgerindeten
Dachsparren hoch über mir. Nachdem es verputzt war, hat mir der Anblick meines Hauses nie mehr solche Freude gemacht, doch muß ich gestehen, daß es in diesem Zustand weitaus wärmer war. Sollte nicht jede menschliche Behausung so hoch und luftig sein, daß die Sparren abends von flackernden Schatten umspielt werden? Das erzeugt ein wenig
geheimnisvolle Dunkelheit und ist der Phantasie und
Einbildungskraft zuträglicher als die schönsten Fresken und
-2 3 0 -
kostbarsten Möbel. Jetzt, da ich mein Haus nicht nur als Obdach, sondern auch der Wärme wegen benutzte, begann ich es erst richtig zu bewohnen. Ich hatte mir ein Paar alter Feuerböcke verschafft, damit die Scheite nicht herausfielen. Es machte mir Spaß, den Rußniederschlag an der Rückwand des von mir selbst gebauten Kamins zu beobachten, und ich
schürte das Feuer mit mehr Recht und mehr Befriedigung, als man es gewöhnlich zu tun pflegt. Mein Haus war nur klein, ein Echo darin zu erzeugen wäre kaum möglich gewesen, doch
schien es an Umfang zu gewinnen, weil es ein einziger Raum war und keine Nachbarn hatte. Alles, was ein Haus anziehend macht, fand sich in diesem Raum vereinigt. Es war Küche, Schlaf-, Wohn- und Besuchszimmer in einem, und die gleichen Freuden, die Eltern und Kindern, Herrn und Knecht durch das Leben in ihrem Maus zuteil werden, waren mein. Nach Cato muß das Familienoberhaupt (pater familiae) in seinem Landhaus folgendes vereint wissen: »cellam oleariam,
vinariam, dolia multa, uti lubeat caritatem expectare, et rei, et virtuti, et gloriae erit« -»Öl- und Weinkeller, darin viele Fässer, um auch schlechten Zeiten unbesorgt entgegensehen zu
können; es wird zu seinem Vorteil, Verdienst und Ruhm sein.«
In meinem Keller hatte ich ein Fäßchen Kartoffeln, zwei Krüge Erbsen mit Käfern darin und auf meinem Regal ein wenig Reis, einen Krug Melasse und jeweils einen Viertelscheffel Roggen-und Maismehl.
Ich träume manchmal von einem größeren Haus, gebaut in
einem gesegneteren Zeitalter, von vielen Menschen bewohnt, AUS dauerhaftem Material und ohne jeden abgeschmackten Zierat, das nur aus einem einzigen Raum besteht; einer
riesigen Halle, streng in der Form, massiv und primitiv, ohne Decke, ohne Verputz, in der die nackten Sparren und Streben etwas wie einen niederen Himmel bilden, der Schnee und
Regen abhält; wo einfache Pfosten feierlich den Einlaß
gewähren, nachdem man an der Schwelle dem unterworfenen Saturn einer vergangenen Dynastie die Reverenz erwiesen hat; einem Haus mit dem Aussehen einer Höhle, in dem man eine Fackel hochhalten muß, um das Dachgewölbe zu sehen; in
-2 3 1 -
dem die Bewohner um den Kamin herum, in den
Weitere Kostenlose Bücher