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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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vorauszusehen. Und noch während
    mich solche Gedanken beschäftigten, wurde ich mir mitten im
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    Regen plötzlich so innig und beglückend der Gesellschaft der Natur bewußt, daß ich sogar im Plätschern der Tropfen, in jedem Laut, jedem Anblick rund um mein Haus ein
    unbegrenztes, unerklärliches Wohlwollen wahrnahm, das mich wie ein frischer Luftzug belebte und den eingebildeten Vorteil menschlicher Nähe sofort vergessen ließ. Ich habe seither auch nie wieder an derlei gedacht. Jede kleine Fichtennadel schwoll und wuchs mit Zuneigung und nahm sich meiner an. Mir wurde die Gegenwart von verwandten Geistern deutlich zu
    Bewußtsein gebracht, sogar in solchen Umständen, die wir gewöhnlich wild und finster nennen; was ich meinem Blut am nächsten empfand und was am menschlichsten, -war
    keineswegs ein Mensch oder ein Dorfbewohner; so daß ich schließlich wußte, daß mir kein Ort jemals wieder fremd vorkommen würde.
    »Unzeitige Trauer verzehrt den Traurigen;
    Ihre Tage im Land der Lebenden sind gezählt,
    Schöne Tochter von Toscar.« Einige meiner angenehmsten Stunden verbrachte ich während der langen Regenfälle im Frühjahr und im Herbst, die mich für den Vormittag sowohl als für den Nachmittag ans Haus fesselten. Das unablässige
    Prasseln des Regens und das Heulen des Sturms hatten etwas Beruhigendes, und die frühe Dämmerung sorgte für einen
    langen Abend, an dem viele Gedanken Wurzel schlagen und sich entfalten konnten. Während solcher stürmischen
    Regenfälle, die, von Nordost kommend, für die Dorfbewohner eine Heimsuchung bedeuteten, während die Mägde mit
    Scheuerlappen und Eimern in den Hauseingängen standen, um die Fluten abzuhalten, saß ich hinter der Tür meines kleinen Hauses, das selbst nicht viel mehr als ein Eingang war, und genoß aus tiefstem Herzen seinen Schutz. In einem heftigen Gewittersturm schlug der Blitz in eine große Pechkiefer auf der anderen Seite des Sees ein und hinterließ dabei eine sehr auffällige und vollkommen regelmäßige spiralförmige Kerbe von der Spitze bis zum Boden, gut einen Zoll tief und vier oder fünf Zoll breit, etwa so wie die Kerbe, die man in einen Spazierstock schnitzt. Ich bin vor ein paar Tagen daran vorbeigekommen und
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    war von Ehrfurcht ergriffen, als ich an dem Baum hochsah und das Zeichen erblickte, deutlicher denn je, wo vor acht Jahren der gewaltige unwiderstehliche Blitz aus heiterem Himmel eingeschlagen hat. Die Menschen sagen häufig zu mir: »Sie fühlen sich sicher einsam da draußen und möchten lieber in der Nähe anderer Leute sein, besonders wenn es regnet und
    schneit, und nachts vor allem!« Und ich war jedesmal versucht zu antworten: Die ganze Erde, die wir bewo hnen, ist nur ein winziger Punkt im Weltall. Wie weit auseinander leben wohl die beiden am weitesten voneinander entfernten Bewohner jenes Sterns, dessen Größe wir mit unseren Instrumenten kaum
    abschätzen können? Warum sollte ich mich einsam fühlen?
    Befindet sich unser Planet nicht in der Milchstraße? Die Frage, die Sie da stellen, scheint mir nicht die wichtigste zu sein.
    Welcher Art ist denn der Raum, der einen Menschen vom
    anderen trennt und ihn einsam macht? Auch die größte
    Anstrengung der Beine kann meines Erachtens zwei Seelen einander nicht viel näher bringen. In welcher Nachbarschaft möchten wir wohl am liebsten wohnen? Doch sicher nicht in der Nähe vieler Menschen, des Bahnhofs, der Post, des Gerichts, der Schule, Schenke, Beacon Hill oder Five Points, wo die Menschen meistens zusammenströmen? Nein, sondern in der Nähe der ewigen Quelle, von der, wie die menschliche
    Erfahrung lehrt, alles Leben stammt; so wie die Weide am Rande des Wassers steht und ihre Wurzeln dahin aussendet.
    Verschieden geartete Menschen werden verschieden wählen, aber dies ist der Ort, an dem ein Weiser seinen Keller gräbt...
    Eines Abends begegnete ich auf der Landstraße einem Farmer, der sich, was man so im allgemeinen einen »hübschen Besitz«
    nennt, erworben hatte - wenn er mir auch nie einen schönen Anblick bot. Er trieb eben ein Rinderpaar zum Markt und fragte mich, wie ich es über mich bringen konnte, auf so viele Annehmlichkeiten des Lebens zu verzichten. Ich gab ihm zur Antwort, wahrscheinlich weil es mir Spaß mache, und ich scherzte nicht. Damit zog ich mich nach Hause in mein Bett zurück und überließ ihn der Dunkelheit und dem Kot der
    Landstraße, durch die er mit seinen Rindern nach Brighton
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    marschierte, einem

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