Waldos Lied (German Edition)
Diener, der mich zu Heinrich gebracht hatte. Ich wollte von ihm wissen, warum er das tat.
»Hast du ein blondes Mädchen mit großen blauen Augen beim König gesehen? « fragte er mich dagegen.
Ich erinnerte mich dunkel und bejahte die Frage.
»Das ist meine jüngste Tochter. Das einzige meiner acht Kinder, das überlebt hat. Auch mein Weib ist tot. Heinrich nahm sie mir. Und er nahm meine Tochter mit Gewalt. Sie war noch ein Kind.«
Ich drückte ihm die Hand, dankbar für seine Warnungen und voller Mitgefühl. Er war nicht der einzige Vater, dem der König diese Schmach angetan hatte.
So wusste Rudolf bereits, dass ein weiterer Anschlag auf sein Leben geplant war, als Heinrich »dem treuen und tapferen Herzog von Schwaben« eines Morgens nach dem Gottesdienst eine besondere Ehre erwies und ihn aufforderte, seine Königin aus dem Gotteshaus in ihre Gemächer zu geleiten. Er wusste, dass Heinrich einen Bogenschützen auf ihn angesetzt hatte, der aus dem Hinterhalt mit einem Pfeil auf sein Herz zielte. Rudolf gab sich sehr erfreut über die Ehre. Und Königin Bertha, die nichts ahnte, legte gehorsam ihre Hand auf den linken Arm ihres Schwagers. Doch kaum war Rudolf mit der Schwester seiner Gemahlin aus dem Münster getreten, da verbeugte er sich tief vor ihr und verabschiedete sich unter einem Vorwand. So wurde der zweite Mordanschlag des Königs vereitelt.
Aber er wäre auch sonst nicht geglückt. Denn auch ich hatte mir einen Bogen besorgt. Auch meine Sehne war gespannt. Und mein Pfeil zeigte auf jenen Schützen, der den Herzog ermorden sollte. Wieder konnten wir dem König allerdings nichts nachweisen.
Der dritte Mordanschlag aber geschah vor Zeugen. Erneut hatte der Herzog Vorkehrungen getroffen. Heinrich hatte Rudolf und andere Fürsten zu Beratungen in seine Kammer rufen lassen. Alle sollten wegen der Enge des Raumes nur mit wenigen Begleitern kommen, hieß es. Doch von Gottfried, dem Diener, wussten wir, dass der König während der Beratung zwei Kämpfer mit gezücktem Schwert vor der Tür seiner Kammer postieren wollte. Sie sollten sich auf Rudolf stürzen, sobald er herauskam. Und auf mich.
Die wenigen Begleiter, die Rudolf zu der Besprechung mit dem König mitnahm, waren bis auf mich erfahrene Kämpfer. Auch Kuno von Genf war dabei. Er hatte wieder seine alten Pflichten als Führer der Leibwache des Herzogs übernommen. Vier weiteren seiner Schwertkämpfer gab er den Befehl, sich außerhalb der Gemächer Heinrichs bereit zu halten und die Mordgesellen des Königs sofort zu töten, falls der Herzog angegriffen würde. Wir waren entschlossen, dieses Mal die Mordabsichten Heinrichs vor aller Augen offenbar werden zu lassen.
Unser Plan ging auf. Ich erinnere mich noch gut, wie Rudolf von Schwaben hochaufgerichtet vor dem König stand, sein Schwert noch feucht vom Blut seiner Angreifer. Er sprach ganz ruhig, fast leise. Er wirkte in seinem mühsam gebändigten Zorn um so fürchterlicher. »Mein Herr und König, solche Leute hätte ich in Eurer Kammer jetzt lieber nicht gesehen und will ich auch in Zukunft niemals mehr sehen.« Nach diesen Worten ging er hinaus, ohne sich zu verbeugen. Draußen schwor er, so dass jeder es hören konnte: »Bei allem, was mir heilig ist, hiermit sage ich mich von diesem König los. Ich bin nicht mehr an meinen Treueid gebunden. Ich werde ihm niemals mehr dienen. Ich werde auch niemals wieder an Heinrichs Hof kommen, solange ich lebe.«
Wir reisten noch in derselben Stunde ab. Gottfried, den Diener des Königs, nahmen wir mit. Er trat auf eigenen Wunsch in das Kloster St. Blasien ein. Seine Tochter sah er niemals wieder.
Rudolf von Schwaben hat den Schwur gehalten, den er vor der Kammer des Königs tat.
Das Osterfest im Jahre 1076 stand kurz bevor, als wir erfuhren, dass Papst Gregor nach dem Empfang der Schreiben Heinrichs noch im Februar sofort gehandelt hatte. Er hatte die Gesandten Heinrichs noch während der Fastensynode in Rom aufgefordert, die Schmähschrift öffentlich zu verlesen und auch die anderen, mündlichen Beleidigungen zu wiederholen. Es hieß, es habe daraufhin einen wilden Aufruhr der Empörung gegeben. Das Leben der Überbringer von Heinrichs Nachrichten — die Bischöfe Huzmann von Speyer, Burchard von Basel und Graf Eberhard von Nellenburg — sei sogar in Gefahr gewesen. Jetzt blieb Gregor VII. keine andere Wahl mehr. Nach Jahren des Zögerns und des Lavierens belegte der Papst König Heinrich mit einem Bann. Damit war er der ewigen Verdammnis
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