Waldos Lied (German Edition)
ihn ihr.
»Schau, Waldo, das ist mein Krönungsgeschenk für meinen Gemahl«, sagte die Herzogin stolz. Sie schlug den Stoff zur Seite. Es war eine Krone, ein einfacher goldener Reif, aber die Arbeit eines Künstlers, der wusste, worauf es ankam. Denn diese Krone war nicht überladen mit Perlen und Juwelen, sondern nur mit einzelnen wenigen Kleinodien von erlesener Schönheit verziert. Diese Krone war eines großen Königs würdig.
»Sie hat mich fast mein ganzes Geschmeide gekostet«, fügte die Herzogin hinzu. »Sie wurde von einem der berühmtesten Goldschmiede des Reiches im Kloster Ebersheimmünster gefertigt, dessen Abt Adelgaud über seine Großmutter mit meinem Gemahl verwandt ist. Viele Entwürfe waren notwendig, bis sie fertig war.«
»Sie ist vollkommen«, bestätigte ich Ihr. »Aber Ihr müsst schon lange daran geglaubt haben, dass Rudolf von Rheinfelden einmal König sein würde. Es kostet viel Zeit, um ein solches Kunstwerk zu schaffen.«
»Ja«, sagte sie und lächelte mich versonnen an. »Ich habe immer daran geglaubt.«
»Dann seid Ihr ein besserer Wahrsager als ich, Herrin«, meinte ich und versuchte auch ein Lächeln. Aber die Krone verstärkte meine düsteren Ahnungen noch, anstatt sie zu zerstreuen. Ich schalt mich einen Narren.
Zur zehnten Stunde am Morgen des dritten Tages kamen die Fürsten wieder auf der Pilatusflur zusammen. Dieses Mal stand ein Mann auf dem großen, dem zwölften Stein: Rudolf von Rheinfelden, der Herzog von Schwaben. Auf jenen Felsen, die das Dreieck bildeten, hatten sich der Erzbischof von Mainz und die beiden Legaten des Papstes niedergelassen. Auf den acht anderen saßen die edelsten unter den Fürsten, darunter auch Otto von Northeim.
Nun forderte Siegfried, der Erzbischof von Mainz, sie alle auf, einzeln nach vorne zu treten, vor diesem Mann, den sie zu ihrem König bestimmt hatten, das Knie zu beugen und ihm die Treue zu schwören.
Da entstand ein großer Tumult. Einige Fürsten stellten Forderungen. Sie wollten vorher das Versprechen, dass Rudolf ihnen zurückgab, was Heinrich ihnen gestohlen hatte. Otto von Northeim forderte lautstark das Herzogtum Baiern zurück.
Rudolf von Schwaben stand auf dem großen Stein, schaute auf sie alle herab und schwieg. Schließlich griff Diakon Bernhard, einer der Legaten des Papstes, ein. Er erhob sich und seine Stimme schallte weit über die ganze Flur.
»Fürsten des Reiches, wollt Ihr wieder einen König, der Versprechungen macht? Den Ihr nur wählt, weil er euch nach dem Munde redet? Wollt Ihr, dass unsere Feinde sagen können, Rudolf von Schwaben sei nur durch Bestechung und Vergabe von geistlichen Ämtern König geworden und nicht durch die freie Wahl freier Männer? Wollt Ihr das? Oder wollt Ihr einen König, der in Eintracht mit dem Papst über Euch herrscht? Einen, dem das Wohl der Menschen am Herzen liegt und nicht sein eigener Vorteil? Einen, der in den Dingen des Glaubens ein treuer Sohn der Kirche ist und in den Dingen des Staates daher weise regiert? Wenn Ihr das wollt, dann wird Euch Gregor VII. die Hand reichen.«
Unter den Fürsten war Stille eingekehrt. Viele, die vorher Forderungen gestellt hatten, bekamen nachdenkliche Gesichter.
Da sprach Rudolf zu ihnen, und während er sprach, hob er die rechte Hand zum Schwur.
»Bei allem, was mir heilig ist, schwöre ich, dass ich als König niemals nur den Vorteil einzelner bedenken werde — auch meinen eigenen nicht. Meine Entscheidungen will ich nach bestem Wissen und Gewissen, fest im Glauben und zum Wohle des ganzen Reiches treffen. So soll künftig auch kein Kirchenamt mehr willkürlich und um einen hohen Preis verkauft werden, sondern Geistliche darein gewählt werden, wie es die Gesetze der Kirche bestimmen.
Ich schwöre, dem Apostolischen Stuhl Gehorsam zu leisten in allen Dingen, die den Glauben betreffen.
Ich sage Euch: Wenn mein Sohn oder ein anderer Mann aus meinem Geschlecht nach meinem Tod nicht würdig ist, dann soll ein anderer den Thron übernehmen. Denn von nun an wird der Herrscher über dieses Reich der König aller sein. Der König des Reiches soll sich einer Wahl stellen. Und das Volk soll selbst bestimmen, von wem es regiert wird. So, wie es zu Zeiten unserer Vorväter Brauch war. Das alles soll geschehen mit Gottes Hilfe.«
Da erhoben sich die kirchlichen Würdenträger und weltlichen Fürsten, traten vor Rudolf hin, beugten das Knie und schworen ihm die Treue. Und als die Sonne ihren höchsten Stand am Himmel erreicht hatte und den
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