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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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einer wissenschaftlichen Kunstlehre, wie sie ein Dichter-Philosoph überfeinerter Bildung anstellt, liegen den unbefangenen Anschauungen der Urzeit fern. Vielmehr verrät eine Stelle, welche Idun mit Gerda für eins erklärt, dass diese verjüngenden Äpfel die in jedem Frühjahr sich verjüngende Lebenskraft der Erde sind; jeden Herbst dämmern die Lichtgötter, jedes Frühjahr verjüngen sie sich wieder durch die verjüngte Lebenskraft der Erde; daher währt diese verjüngende Wirkung auch nur bis zur Götterdämmerung, vor deren Vollendung bereits das Wiederkehren des Frühlings aufhört. Erst folgeweise und später hat man dann auch die mit dem Frühling wieder beginnende Liebeslust in jenen Äpfeln gefunden und deren Eignerin [Fußnote: Schon Iduns Name bedeutet (wie der Widars); – "Wieder", "Wiederum", d. h. verjüngende Erneuerung.] mit dem Liedgott vermählt.
    Von Idun werden zwei verschiedene Sagen erzählt, deren erste bloss auf den Jahreswechsel sich bezieht, deren zweite, ursprünglich von gleicher Bedeutung, später auf den Untergang der Welt übertragen wurde.
    Einmal zogen drei Asen wandernd über Berg und Tal: Odin, Loki und Hönir. Sie kamen in öde Lande, wo sie nur schmale Kost fanden. Da sie ins Tal hinabstiegen, erblickten sie eine Herde weidender Rinder. Eifrig und voll Freude, ihren Hunger zu stillen, ergriffen sie eines der Tiere, schlachteten es, machten Feuer an unter einer hochwipfeligen Eiche und wollten den ganzen Ochsen sieden. Nach geraumer Zeit, da sie füglich glauben durften, der Sud sei vollendet, deckten sie den Kessel auf; – aber siehe, das Fleisch war noch nicht gar. Und da sie nach langer Zeit wieder nachsahen, da war es nicht besser. Erstaunt redeten sie untereinander, woher das wohl rühren könne? Da hörten sie hoch von dem Wipfel der Eiche herab eine Stimme: "Ich, der ich hier oben sitze, wehre dem Sud, zu sieden." Und hinaufschauend erblickten sie da oben einen Adler, der war nicht klein. "Wollt ihr mir Sättigung verstatten an dem Rinde," rief der mächtige Vogel herunter, "so soll der Sud sieden." Da sie nun zustimmten, flog der Aar herab, setzte sich zu dem Kessel und sofort war das Fleisch gar. Der Vogel nahm nun aber gleich vorweg für sich die besten und grössten Stücke; beide Lenden und beide Bugteile. Das erzürnte Loki; er fasste eine Stange und stiess sie mit Macht dem Vogel in den Leib. Der flog auf, die Stangenspitze in dem Rumpf; aber Loki hielt noch das andre Ende in den beiden Händen und sah sich mit emporgerissen; und konnte nicht loslassen, ohne herabzustürzen und zu zerschmettern. Und der Vogel flog sausend über Felsspitzen, Bergsteine und Bäume so niedrig hin, dass Loki heftig daran stiess mit den Beinen; und auch die Arme schmerzten ihn so arg; er meinte, sie würden ihm aus den Achseln gerissen. Flehentlich schreiend bat er den Adler um Frieden. Der aber fuhr immer rascher dahin und sagte, niemals solle Loki davonkommen, wenn er ihm nicht Idun samt ihren Äpfeln aus Asgard herbeischaffe und in seine Gewalt gebe. Loki, in seiner Angst, versprach alles. Da setzte ihn der Vogel ab, dass jener zu seinen Weggefährten zurückgehen konnte. Er schwieg aber von der Lösung, die er versprochen hatte. Als sie nun wieder nach Asgard heimgekehrt waren, sprach Loki zu Idun: "Komm, du Holde, mit mir nach Midgard hinunter. Da hab’ ich in einem Walde einen Baum gefunden mit Äpfeln, die sind noch schöner als die deinen." Idun wollte das nicht glauben. "Wohlan," sprach Loki, "nimm deine Äpfel mit, halte sie daneben und vergleiche." Und Idun tat nach seinem Rate und folgte ihm zu Walde. Da kam sausend der Riese Thiassi in Adlerhaut gefahren, – denn der war es gewesen, der Loki überlistet und entführt hatte – ergriff Idun samt ihren Äpfeln und trug sie durch die Luft davon nach Thrymheim in seine Heimat.
    Den Göttern aber ging es nun gar schlecht, seit Idun verschwunden; ihre Haare ergrauten, sie wurden alt. Da traten sie zusammen, hielten Rat und forschten, was man zuletzt von der Verschwundenen gesehen oder gehört. Da ward festgestellt; das letzte, was man von ihr gesehen, war, dass sie mit Loki aus Asgard geschritten. Da ergriffen sie den schon lang Beargwohnten, banden ihn, führten ihn vor ihre Richterstühle und bedrohten ihn mit Peinigung und Tod. Loki erschrak; er gelobte, er wolle nach Idun suchen in Jötunheim, – denn vielleicht sei sie dorthin entführt – wenn ihm Freya zu rascher Reise ihr Falkenhemd leihen wolle. Und nachdem er in

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