Wall Street Blues
endlich der Bund in Erscheinung, dachte sie. War längst fällig. Es sah fast so aus, als hätten sie schon die ganze Zeit am Rand des Geschehens gewartet. Die Regierung schloß so gut wie nie Maklerfirmen. Normalerweise, wenn es sich um einen plötzlichen Verlust der Kapitalisation, das Fundament der Firma, handelte, ließ die Regierung der Branche Zeit, zu Hilfe zu eilen und die Lage zu bereinigen — eine Fusion oder den Kauf durch eine andere Effektenfirma einzufädeln. Denn wenn es sich herumsprach, sorgte es bei den Kunden der ganzen Branche für Verstimmung. Aber wenn man glaubte, die Firma habe etwas Illegales getan, hielt sich die Branche heraus. Es war eine erschütternde Nachricht für Investoren, schlecht für den Markt, schlecht für Headhunter, schlecht für die Branche. Sie faltete das Blatt in New Yorker Art der Länge nach und las den Artikel.
Regierungsvertreter versiegelten gestern nacht die Maklerfirma Jacob Donahue & Co. Donahue nahestehende Quellen behaupten, daß Investoren begannen, wegen des Aufsehens um die vor kurzem geschehenen Morde an Donahues von ihm getrennt lebender Frau, Mildred Gleason, und Donahues Angestelltem, Börsenmakler Barry Stark, ihr Geld und ihre Wertpapiere zu verlangen. Carole Sue Wright, Sprecherin der SEC, erklärte, weil Donahue & Co. Wertpapiere zurückhielten, anstatt sie dem Kreditgeber zu übertragen, als die Investoren die Rückgabe ihrer Wertpapiere forderten, kam heraus, daß Donahue & Co. ein und dieselben Wertpapiere in mehreren Rückkaufabsprachen verwendet hatten.
»Was wird aus den Leuten, die dort Konten haben?« fragte Harold.
»Die Konten gehen automatisch an die SIPC«, antwortete sie, während sie den Artikel noch einmal las. Sie hob den Kopf, und als sie seine verständnislose Miene sah, fügte sie hinzu: »Eine Organisation zum Schutz von Investoren. Die Kundenkonten sind bis zu einer halben Million Dollar versichert.«
»Aha.« Harold nickte. »Und was passiert mit dem Makler, wenn er nichts Unrechtes getan hat? Kommt er an die Konten heran?«
»Nicht leicht. Die Regierung bestellt einen Aufseher. Das braucht alles seine Zeit. Deshalb fährt ein Makler besser damit, eine andere Firma zu finden und einen neuen Kundenstamm aufzubauen. Und das ist auch nicht so leicht, weil die meisten Firmen sich hüten, einen Makler von einer in Verruf geratenen Firma und ohne Stammkunden einzustellen.«
»Ist dir die Stelle aufgefallen, wo es heißt, daß Jake und Mildred gar nicht geschieden waren?« Harold liebte Klatsch.
»Ich kann es nicht glauben, daß Mildred so dumm war, es sei denn, sie meinte, sie könnte irgendwie die Firma ihres Vaters behalten, wenn sie sich nicht von Jake scheiden ließe. Alles in allem bedeutet das, daß er wohl ihre Firma erbt, wenn sie ihn nicht als Mörder überführen. Arme Mildred. Sie verliert sogar noch, wenn sie nichts mehr verlieren kann.«
»Aber werden die Börse und die SEC ihm nicht die Lizenz entziehen?«
»Doch, falls er überführt wird. Anderenfalls werden sie ihm eine Weile auf die Finger sehen oder ihn zu einer Geldstrafe verurteilen, oder vielleicht darf er dreißig Tage oder sechzig Tage oder neunzig Tage keine Geschäfte an der Börse machen, aber dann ist er wieder da — falls er nicht der Mörder ist. Und in dieser Branche vielleicht sogar, wenn er einer ist.«
»Was ist los? Verpasse ich etwas?« Smith streckte ihren Kopf aus dem Hauptbüro. Sie trug die Seidenkrawatte mit den Moosröschen als Band um ihre dunklen Locken, die sie zu einem Nackenknoten gebunden hatte. Wetzon blieb die Spucke weg. War es dieselbe, die Smith an dem Tag, als Georgie ermordet wurde, getragen hatte, oder war es eine brandneue, die sie an jenem Morgen bei Bloomingdale’s gekauft hatte? Und wenn sie neu war, hatte Wetzon dann die alte, weil Smith in Buffies Wohnung bei Georgie gewesen war und sie dort verloren hatte, nachdem... Nein, sie durfte sich solche Gedanken nicht erlauben.
»Wir haben gerade von Jake Donahue gesprochen«, sagte Wetzon. »Ich muß mir dir reden, Smith.« Aber ganz bestimmt nicht über die Seidenkrawatte. Smith würde sich herausmogeln.
»Erst muß ich dir eine Tasse von meinem frisch bereiteten Kaffee eingießen«, sagte Smith so zuckersüß, daß es wie ein Werbespot im Fernsehen klang. »Ich wußte, daß du es heute morgen brauchen kannst. Wo warst du gestern nacht? Ich habe angerufen.«
»Im Caravanserie .«
»Du warst im Caranvanserie ? Wirklich?« Harold war aus dem Häuschen. Er sperrte
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