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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Gefängnisinseln verschleppt und unsere singenden Hunde in die Kalahariwüste gejagt worden, kein weißer Mann, keine Frau und kein Kind hätten in Südafrika überlebt. Dann wären sie alle, ob Buren oder Engländer, seit langem fort, erbärmliche Knochenreste, begraben in der roten Erde. In den alten Zeiten, als seine Vorfahren noch offen gegen die weißen Eindringlinge kämpften, pflegten die Zulukrieger ihren gefallenen Feinden die Unterkiefer abzuhacken. Ein
impi
, der von einer gewonnenen Schlacht heimkehrte, trug die Kieferknochen als Siegestrophäen, die das Tor zum Tempel des Häuptlings zieren würden. Jetzt waren es die Götter, die den Kampf gegen die Weißen bestritten, und die ließen sich niemals besiegen.
    |166| In der ersten Nacht im fremden Haus schlief Victor Mabasha traumlos. Er überwand die letzten Folgen der langen Reise, und als er im Morgengrauen erwachte, fühlte er sich fit und ausgeruht. Von irgendwoher hörte er Konovalenkos Schnarchen. Er stand vorsichtig auf, zog sich an und unternahm eine gründliche Untersuchung des Hauses. Er suchte nichts Bestimmtes. Aber irgendwo war Jan Kleyn immer anwesend, irgendwo lauerte sein wachendes Auge.
    Auf dem Dachboden, der seltsamerweise schwach nach einem Getreide duftete, das an
sorghum
erinnerte, entdeckte er eine moderne Funkanlage. Victor Mabasha war kein Experte für elektronische Geräte, aber er zweifelte nicht daran, daß es mit diesem Apparat möglich war, nach Südafrika zu senden und Mitteilungen von dort zu empfangen. Er suchte weiter und fand schließlich, was er erwartet hatte: eine verschlossene Tür ganz am Ende des Hauses. Dahinter mußte sich der Grund seiner langen Reise verbergen.
    Er trat aus dem Haus und stellte sich auf den Hof, um zu pissen. So gelb war sein Urin wohl noch nie zuvor gewesen. Es muß am Essen liegen, dachte er. An diesen fremden, ungewürzten Speisen. An der langen Reise. Und an den Geistern, die in meinen Träumen miteinander kämpfen. Ich trage Afrika in mir, wo ich mich auch befinde.
    Nebelschwaden lagen bewegungslos über der Landschaft. Er ging um das Haus herum, sah einen verwilderten Garten mit vielen verschiedenen Obstbäumen, von denen ihm nur einige bekannt waren. Alles war sehr still, und er dachte, daß es solche Momente wohl überall auf der Welt gab, sogar an einem Julimorgen irgendwo in Natal.
    Er fror und lief ins Haus zurück. Konovalenko war aufgewacht. Er kochte Kaffee in der Küche, bekleidet mit einem dunkelroten Trainingsanzug. Als er Victor den Rücken zuwandte, sah dieser, daß KGB darauf stand.
    Nach dem Frühstück begann die Arbeit. Konovalenko öffnete die Tür zu dem verschlossenen Raum. Er war leer bis auf einen Tisch und eine Deckenlampe, die das Zimmer grell ausleuchtete. Mitten auf dem Tisch lagen ein Gewehr und eine Pistole. Victor |167| sah sofort, daß es sich um ihm unbekannte Fabrikate handelte. Sein erster Eindruck war, daß vor allem das Gewehr plump aussah.
    »Unser ganzer Stolz«, erklärte Konovalenko. »Vielleicht nicht schön, aber sehr effektiv. Ausgangspunkt war eine Waffe vom Typ Remington 375   HH.   Die Techniker des KGB haben sie zur Vollendung weiterentwickelt. Jetzt kannst du damit alles abknallen, was du willst, bis zu einer Entfernung von achthundert Metern. Über solche Laserzielgeräte verfügen sonst nur die exklusivsten amerikanischen Waffen. Leider hatten wir nie die Möglichkeit, dieses Meisterwerk einmal praktisch zu erproben. Mit anderen Worten: Du wirst es einweihen.«
    Victor Mabasha trat an den Tisch und betrachtete das Gewehr.
    »Streichle es. Von jetzt an seid ihr ein unzertrennliches Paar.«
    Victor Mabasha staunte, wie leicht die Waffe war. Aber gleichzeitig bemerkte er, als er sie an die Schulter nahm, den stabilen Balancepunkt. »Was für Munition?«
    »Superplastic«, erläuterte Konovalenko. »Eine Spezialvariante des klassischen Spitzerprototyps. Die Kugel soll schnell und weit fliegen. Das spitze Modell überwindet den Luftwiderstand besser.«
    Victor Mabasha legte das Gewehr auf den Tisch zurück und griff nach der Pistole. Es war eine 9-mm Glock Compact. Er hatte früher in verschiedenen Zeitschriften über diese Waffe gelesen, jedoch nie eine in der Hand gehalten.
    »Hier, glaube ich, reicht Standardmunition«, sagte Konovalenko. »Es gibt keinen Grund, es unnötig zu komplizieren.«
    »Ich muß mich auf das Gewehr einschießen. Das wird eine Weile dauern, wenn es um eine Distanz von fast einem Kilometer geht. Aber wo findet man

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