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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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verstehe«, sagte er wenig überzeugend. »Wenn ich richtig informiert wurde, haben Sie auch vor zehn Jahren hier gewohnt?«
    »Ich wohne hier, seit ich die Zeit verlassen habe.«
    Wallander sah das Bedenkliche in seiner nächsten Frage, aber er stellte sie trotzdem. »Wann haben Sie die Zeit verlassen?«
    »Das ist sehr lange her.«
    Wallander ahnte, daß er keine erschöpfendere Antwort erwarten konnte. Mit gewisser Überwindung ließ er sich auf ein Kissen nieder und hoffte nur, daß es nicht voller Katzenpisse war. »Vor zehn Jahren ist eine Frau hier in der Nähe auf dem Stångsjön ins Eis eingebrochen und ertrunken«, sagte er. »Weil es vermutlich |264| nicht so häufig vorkommt, daß Leute hier ertrinken, können Sie sich vielleicht daran erinnern? Obwohl Sie, wie Sie sagen, außerhalb der Zeit leben.«
    Wallander merkte, daß Hoslowski, der entweder verrückt oder von irgendwelchen unklaren prophetischen Ideen verwirrt war, positiv darauf reagierte, daß er sein Reden vom zeitlosen Dasein akzeptierte. »Ein Sonntag im Winter vor zehn Jahren«, fügte Wallander hinzu. »Der Mann soll hierhergekommen sein und um Hilfe gebeten haben.«
    Hoslowski nickte. Er erinnerte sich.
    »Ein Mann kam und klopfte an meine Tür. Er wollte mein Telefon benutzen.«
    Wallander blickte sich im Zimmer um. »Aber Sie haben kein Telefon?«
    »Mit wem sollte ich sprechen?«
    Wallander nickte. »Was geschah dann?«
    »Ich zeigte ihm den Weg zu meinem nächsten Nachbarn. Der hat Telefon.«
    »Sind Sie mit ihm hingegangen?«
    »Ich bin zum See gegangen, um zu sehen, ob ich sie herausholen könnte.«
    Wallander hielt inne und tat einen Schritt zurück. »Der Mann, der an die Tür klopfte, war sicher sehr erregt?«
    »Vielleicht.«
    »Was meinen Sie mit ›vielleicht‹?«
    »Ich erinnere mich daran, daß er so gefaßt war, wie man es vielleicht nicht erwartet.«
    »Ist Ihnen noch etwas anderes aufgefallen?«
    »Ich habe es vergessen. Es geschah in einer anderen kosmischen Dimension, die sich seitdem viele Male verändert hat.«
    »Sehen wir weiter. Sie kamen zum See. Was geschah da?«
    »Das Eis war ganz blank. Ich sah das Loch. Ich ging hin. Aber ich sah nichts im Wasser.«
    »Sie gingen hin? Hatten Sie keine Angst, daß das Eis brechen könnte?«
    »Ich weiß, wo es trägt. Außerdem kann ich mich gewichtslos machen, wenn es nötig ist.«
    |265| Mit einem Verrückten kann man nicht vernünftig reden, dachte Wallander resigniert. Aber er stellte seine Fragen dennoch. »Können Sie mir das Loch beschreiben?«
    »Es war sicher von einem Angler ins Eis geschlagen worden. Vielleicht war es dann wieder überfroren, aber das Eis war noch nicht wieder dick genug.«
    Wallander dachte nach. »Bohren Angler nicht kleinere Löcher?«
    »Dies hier war fast viereckig. Vielleicht war es aufgesägt worden?«
    »Gibt es denn Eisangler auf dem Stångsjön?«
    »Es ist ein fischreicher See. Ich hole selbst Fisch da. Aber nicht im Winter.«
    »Und was passierte dann? Sie standen am Eisloch und sahen nichts. Was haben Sie dann getan?«
    »Ich habe mich ausgezogen und habe mich ins Wasser hinuntergelassen.«
    Wallander starrte ihn an. »Warum um alles in der Welt haben Sie das gemacht?«
    »Ich dachte, ich könnte ihren Körper mit meinen Füßen spüren.«
    »Sie hätten sich doch den Tod holen können.«
    »Ich kann mich gegen zu starke Kälte oder Hitze gefühllos machen, wenn es nötig ist.«
    Wallander sah ein, daß er diese Antwort hätte vorhersehen können. »Aber Sie haben sie nicht gefunden?«
    »Nein. Ich stemmte mich wieder aufs Eis hoch und hab meine Sachen angezogen. Kurz darauf kamen Menschen gelaufen. Ein Auto mit Leitern. Da bin ich weggegangen.«
    Wallander begann sich aus dem unbequemen Kissen hochzuarbeiten. Der Gestank war unerträglich. Er hatte keine Fragen mehr und wollte nicht länger als nötig bleiben. Gleichzeitig mußte er einräumen, daß Jacob Hoslowski entgegenkommend und freundlich gewesen war.
    Hoslowski begleitete ihn auf den Hofplatz hinaus. »Sie haben sie dann gefunden«, sagte er. »Mein Nachbar kommt immer einmal vorbei und erzählt mir, was ich seiner Meinung nach über die |266| Umwelt wissen sollte. Unter anderem meint er, daß ich alles wissen muß, was im Schützenverein hier los ist. Was an anderen Orten in der Welt geschieht, ist weniger wichtig, meint er. Deshalb weiß ich auch sehr wenig über das, was geschieht. Vielleicht darf ich fragen, ob zur Zeit gerade ein Krieg größeren Ausmaßes

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