Wallander 06 - Die fünfte Frau
Gefühl, als irre er in einem Labyrinth umher. Er brauchte zwanzig Minuten, um das Haus zu finden. Da war es halb zehn. Er stand vor einem Mietshaus im alten Stadtteil von Brynäs. Geistesabwesend fragte er sich, ob Söldner am Sonntag lange schliefen. Und ob Johan Ekberg überhaupt Söldner war. Daß er im ›Terminator‹ annoncierte, mußte nicht einmal bedeuten, daß er seinen Militärdienst geleistet hatte.
Wallander saß im Wagen und betrachtete das Haus. Es regnete. Oktober war der Monat der Trostlosigkeit. Alles wurde grau. Das Herbstlaub verblich.
Einen Moment lang war er drauf und dran, alles aufzugeben und davonzufahren. Er konnte ebensogut nach Schonen zurückkehren und einen der anderen bitten, diesen Johan Ekberg anzurufen. Oder es selbst tun. Wenn er jetzt losfuhr, konnte er vielleicht eine frühere Maschine nach Sturup bekommen.
Aber natürlich fuhr er nicht. Es war Wallander noch nie gelungen, den symbolischen Unteroffizier in seinem Inneren zu besiegen, der überwachte, daß er tat, was er tun mußte. Er war nicht auf Kosten der Steuerzahler hergekommen, um in einem Auto zu sitzen und in den Regen zu starren. Er stieg aus und überquerte die Straße.
Johan Ekberg wohnte ganz oben. Es gab keinen Aufzug. Aus einer Wohnung drang fröhliche Ziehharmonikamusik. Jemand sang. Wallander blieb stehen und hörte zu. Es war ein schottischer Tanz. Er lächelte vor sich hin. Wer Ziehharmonika spielt, sieht sich nicht blind an dem tristen Regen, dachte er und ging weiter.
|304| Johan Ekbergs Tür hatte eingearbeitete Stahlleisten und ein Extraschloß. Wallander klingelte. Er spürte, daß ihn jemand durch das Guckloch betrachtete. Er klingelte noch einmal, wie um zu signalisieren, daß er nicht aufgeben würde. Die Tür wurde geöffnet. Sie hatte eine Sicherheitskette. Der Flur war dunkel. Der Mann, der sich im Dunkeln abzeichnete, war sehr groß.
»Ich suche Johan Ekberg«, sagte Wallander. »Ich bin Kriminalbeamter und komme aus Ystad. Ich muß mit Ihnen sprechen, falls Sie Ekberg sind. Sie stehen unter keinem Verdacht. Ich benötige nur Auskünfte.«
Die Stimme, die ihm antwortete, war scharf, fast schrill. »Ich rede nicht mit Polizisten. Ob sie aus Gävle kommen oder von woanders.«
Auf einmal war die Kraftlosigkeit verflogen. Wallander reagierte unmittelbar auf die abweisende Haltung des Mannes. Er zog seinen Polizeiausweis hervor und hielt ihn hoch. »Ich arbeite an der Aufklärung von zwei Morden in Schonen«, sagte er. »Sie haben vermutlich in der Zeitung darüber gelesen. Ich bin nicht hergekommen, um vor Ihrer Tür zu stehen und zu diskutieren. Es ist Ihr volles Recht, mich abzuweisen. Aber dann komme ich zurück. Und dann werden Sie gezwungen, mit ins Polizeipräsidium hier in Gävle zu kommen. Sie können wählen, was Ihnen lieber ist.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Entweder Sie lassen mich rein, oder Sie kommen hier raus«, sagte Wallander. »Ich rede nicht durch einen Türspalt mit Ihnen.«
Die Tür wurde zugeschlagen. Wurde wieder geöffnet. Die Sicherheitskette war ausgehakt. Eine starke Lampe leuchtete im Flur auf. Sie überraschte Wallander. Sie war bewußt so angebracht, daß sie einem Besucher direkt in die Augen strahlte. Wallander folgte dem Mann, dessen Gesicht er noch nicht gesehen hatte. Sie kamen in ein Wohnzimmer. Die Gardinen waren vorgezogen, und die Lampen brannten. Wallander blieb in der Tür stehen. Es war, als trete man in eine andere Zeit ein. Der Raum war wie ein Museumszimmer im Stil der fünfziger Jahre ausgestattet. An einer Wand stand eine Jukebox. Die glitzernden Neonfarben tanzten im Innern des Plastikgehäuses. Eine Wurlitzer. |305| An den Wänden Filmplakate, James Dean war auf einem davon zu erkennen, aber ansonsten hauptsächlich Motive aus Kriegsfilmen.
Men in Action.
Amerikanische Marinesoldaten kämpften an japanischen Stränden. Auch Waffen hingen da. Bajonette, Schwerter, alte Reiterpistolen. Eine Sitzgruppe aus schwarzem Leder.
Der große Mann, der Johan Ekberg hieß, musterte ihn. Er hatte kurzgeschnittenes Haar und hätte einem der Plakate an den Wänden entstiegen sein können. Er trug Khakishorts und ein weißes Unterhemd. An den Armen hatte er Tätowierungen. Die Muskeln wölbten sich. Wallander ahnte, daß er einen Bodybuilder vor sich hatte. Ekbergs Augen waren sehr wachsam. »Was wollen Sie?«
Wallander zeigte fragend auf einen der Sessel. Der Mann nickte. Wallander setzte sich, während Ekberg stehenblieb. Er fragte sich, ob Ekberg
Weitere Kostenlose Bücher