Wallander 06 - Die fünfte Frau
auch so meinte. Es war lange her, daß er einen Menschen getroffen hatte, der so überzeugt war. Es gab nichts Monströses an diesen Soldaten, die für die richtige Summe Geld beliebig töteten. Im Gegenteil, es war eine Definition ihrer Menschlichkeit. Laut Ekberg.
Wallander nahm eine Kopie der Fotografie und legte sie auf den Glastisch vor sich. Dann schob er sie Ekberg hinüber. »Sie haben Filmplakate an den Wänden«, sagte er. »Hier haben Sie ein echtes Bild. Im damaligen Belgisch-Kongo aufgenommen. Vor mehr als dreißig Jahren. Bevor Sie geboren waren. Es zeigt drei Söldner, von denen einer Schwede ist.«
Ekberg beugte sich vor und nahm das Foto auf. Wallander wartete. »Kennen Sie einen von den drei Männern?« fragte er dann. Er nannte zwei der Namen. Terry O’Banion und Simon Marchand.
Ekberg schüttelte den Kopf.
»Das brauchen nicht ihre richtigen Namen zu sein. Sondern ihre Söldnernamen.«
»In dem Fall sind das die Namen, die ich kenne«, sagte Ekberg.
»Der Mann in der Mitte ist Schwede«, fuhr Wallander fort.
Ekberg stand auf und verschwand in ein angrenzendes Zimmer. Er kam mit einem Vergrößerungsglas in der Hand zurück. Er studierte das Bild von neuem.
»Er heißt Harald Berggren«, sagte Wallander. »Und seinetwegen bin ich hier.«
Ekberg sagte nichts. Er betrachtete weiter das Bild.
»Harald Berggren«, wiederholte Wallander. »Er schrieb ein Tagebuch über den Krieg damals im Kongo. Kennen Sie ihn? Wissen Sie, wer er ist?«
»Klar weiß ich, wer Harald Berggren ist«, antwortete er.
Wallander fuhr zusammen. Was für eine Antwort er erwartet hatte, wußte er nicht. Jedenfalls nicht die, die er bekam.
»Wo ist er jetzt?«
»Er ist tot. Er ist vor sieben Jahren gestorben.«
|311| Wallander hatte an die Möglichkeit gedacht. Dennoch fühlte er Enttäuschung darüber, daß es so lange her war.
»Wie ist er gestorben?«
»Er beging Selbstmord. Nichts Ungewöhnliches bei Menschen mit großem Mut. Und mit Kampferfahrung in bewaffneten Einheiten unter schwierigen Bedingungen.«
»Warum beging er Selbstmord?«
Ekberg zuckte die Achseln. »Ich glaube, er hatte genug.«
»Genug wovon?«
»Wovon hat man genug, wenn man sich das Leben nimmt? Vom Leben. Von der Langeweile. Vom Überdruß, der einen befällt, wenn man jeden Morgen sein Gesicht im Spiegel sieht.«
»Wie ist es passiert?«
»Er wohnte in Sollentuna nördlich von Stockholm. Eines Sonntagmorgens steckte er seine Pistole ein und nahm einen Bus bis zur Endstation irgendwo. Da ging er in den Wald und erschoß sich.«
»Und woher wissen Sie das alles?«
»Ich weiß es. Und das bedeutet, daß er kaum mit einem Mord in Schonen zu tun haben kann. Soweit er nicht als Gespenst umgeht. Oder daß er eine Mine gelegt hat, die erst jetzt detoniert ist.«
Wallander hatte das Tagebuch in Schonen gelassen. Er dachte, daß das vielleicht ein Fehler war.
»Harald Berggren schrieb ein Tagebuch aus dem Kongo. Das haben wir im Safe eines der beiden ermordeten Männer gefunden. Eines Autohändlers, der Holger Eriksson hieß. Sagt Ihnen der Name etwas?«
Ekberg schüttelte den Kopf.
»Sind Sie sicher?«
»Mein Gedächtnis ist noch ganz in Ordnung.«
»Könnten Sie sich eine Erklärung dafür denken, wie das Tagebuch da gelandet ist?«
»Nein.«
»Können Sie sich eine Erklärung denken, daß diese zwei Männer sich vor mehr als sieben Jahren kannten?«
»Ich habe Harald Berggren nur ein einziges Mal getroffen. Das |312| war im Jahr, bevor er starb. Ich wohnte damals in Stockholm. Er kam eines Abends zu mir. Er war sehr rastlos. Er erzählte, daß er sein Warten auf einen neuen Krieg damit verbrachte, im Land herumzufahren und einen Monat hier und einen Monat da zu arbeiten. Er hatte ja einen Beruf.«
Wallander sah ein, daß er diese Möglichkeit nicht bedacht hatte. Obwohl es im Tagebuch stand, auf einer der ersten Seiten.
»Sie meinen, daß er Kfz-Mechaniker war?«
Ekberg war zum erstenmal erstaunt. »Woher wissen Sie das?«
»Es stand im Tagebuch.«
»Ich dachte, daß ein Autohändler vielleicht einen eigenen Mechaniker gebraucht haben kann. Daß Harald Berggren vielleicht durch Schonen gekommen ist und mit diesem Eriksson in Kontakt kam.«
Wallander nickte. Das war natürlich eine Möglichkeit. »War Harald Berggren homosexuell?« fragte Wallander.
Ekberg lachte. »Und wie.«
»Ist das gewöhnlich unter Söldnern?«
»Nicht notwendigerweise. Aber auch nicht ungewöhnlich. Ich nehme an, es kommt auch unter Polizisten
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