Wallander 06 - Die fünfte Frau
da, wo er gefunden worden war.
Weil es direkt am Straßenrand war, hatten viele Autofahrer aus Neugier angehalten, als sie die beiden Polizeiautos und die Gruppe von Menschen entdeckten.
Nyberg war damit beschäftigt, Spuren am Fundplatz zu sichern. Einer seiner Assistenten hielt seine Krücke, während er auf den Knien lag und an etwas herumstocherte. Er blickte auf, als Wallander kam. »Wie war Norrland?« fragte er.
»Ich habe keinen Koffer gefunden«, antwortete Wallander. »Aber schön ist es. Und sehr kalt.«
»Mit ein bißchen Glück können wir genau sagen, wie lange der Koffer hier gelegen hat«, sagte Nyberg. »Ich nehme an, das könnte eine wichtige Information sein.«
Der Koffer war geschlossen. Wallander sah keinen Adressenanhänger. Auch keinen Reklameaufkleber von ›Specialresor‹. »Habt ihr mit Vanja Andersson gesprochen?« fragte er.
»Sie war schon hier«, antwortete Martinsson. »Sie hat den Koffer erkannt. Außerdem haben wir ihn geöffnet. Zuoberst lag Gösta Runfelts verschwundenes Nachtglas. Also das ist sein Koffer.«
Wallander versuchte nachzudenken. Die Stelle, an der sie sich befanden, lag etwa in der Mitte zwischen den beiden Tatorten. Sie befanden sich sehr nah an allem, dachte er. In einem unsichtbaren Mittelpunkt.
Der Koffer lag auf der östlichen Straßenseite. Wenn er von jemandem dort abgelegt worden war, der mit dem Wagen kam, war das Auto vermutlich von Ystad nach Norden unterwegs gewesen. Aber es konnte auch von Marsvinsholm gekommen, an der Kreuzung bei Sövestad abgebogen und dann nach Norden gefahren sein. Wallander versuchte, die Alternativen abzuwägen. |316| Nyberg hatte recht damit, daß es eine große Hilfe für sie wäre, zu wissen, wie lange der Koffer hier gelegen hatte, bevor er gefunden wurde.
»Wann können wir ihn mitnehmen?« fragte er.
»In einer Stunde habt ihr ihn in Ystad. Ich bin bald klar hier«, erwiderte Nyberg.
Wallander nickte Martinsson zu. Sie gingen zu seinem Wagen. Wallander hatte während der Fahrt vom Flugplatz berichtet, daß seine Reise in einem wichtigen Punkt Klarheit gebracht hatte, sie aber in bezug auf andere Fragestellungen nicht weiterbrachte. Warum Holger Eriksson der Kirche in Jämtland Geld hinterlassen hatte, war noch immer ein Rätsel. Dagegen wußten sie jetzt, daß Harald Berggren tot war. Wallander war sicher, daß Ekberg die Wahrheit gesagt hatte und daß er wußte, wovon er sprach. Berggren konnte nicht direkt mit Holger Erikssons Tod zu tun haben. Sie würden statt dessen herausfinden, ob er bei Eriksson gearbeitet hatte. Aber sie könnten nicht damit rechnen, daß sie das wirklich weiterbrachte. Bestimmte Teilchen ihres Ermittlungspuzzles hatten keinen anderen Wert als den, daß sie an ihrem Platz liegen mußten, damit sie die wichtigsten Teile an den richtigen Punkt legen konnten. Harald Berggren war von jetzt an solch ein Teilchen.
Sie fuhren zurück nach Ystad.
»Vielleicht hat Holger Eriksson vorübergehend arbeitslose Söldner beschäftigt«, sagte Martinsson. »Vielleicht kam jemand nach Harald Berggren, der kein Tagebuch geschrieben hat. Aber der plötzlich auf die Idee kam, ein Pfahlgrab für Eriksson zu graben. Aus dem einen oder anderen Grund.«
»Das ist natürlich eine Möglichkeit«, sagte Wallander zögernd. »Aber wie erklären wir das mit Gösta Runfelt?«
»Die Erklärung haben wir noch nicht. Vielleicht sollten wir uns auf den konzentrieren.«
»Eriksson starb zuerst«, sagte Wallander. »Aber das bedeutet nicht, daß er in einer Ursachenkette ganz hinten liegen muß. Das Problem ist nicht nur, daß wir kein Motiv und keine Erklärungen haben. Wir haben keinen eigentlichen Ausgangspunkt.«
Martinsson saß eine Weile schweigend. Sie fuhren durch Sövestad. |317| »Warum landet sein Koffer an dieser Straße?« fragte er plötzlich. »Wenn Runfelt in eine andere Richtung unterwegs ist? Nach Kopenhagen. Marsvinsholm liegt auf der richtigen Seite, wenn er nach Kastrup wollte. Was hat sich da eigentlich abgespielt?«
»Das würde ich auch gern wissen«, sagte Wallander.
»Wir haben Runfelts Wagen untersucht«, sagte Martinsson. »Er hatte einen Parkplatz auf der Rückseite des Hauses, in dem er wohnte. Es ist ein dreiundneunziger Opel. Alles war in Ordnung.«
»Die Autoschlüssel?«
»Lagen oben in der Wohnung.«
Wallander fiel ein, daß er noch immer nicht gehört hatte, ob Runfelt an dem Morgen, an dem er abreisen wollte, ein Taxi bestellt hatte.
»Hansson hat mit der Taxizentrale
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