Wallander 06 - Die fünfte Frau
vor.«
Wallander antwortete nicht. »Kommt es unter Beratern für Konfliktlösungen vor?« fragte er statt dessen.
Ekberg hatte sich erhoben und stand neben der Jukebox. Er lachte Wallander an. »Es kommt vor«, sagte er.
»Sie annoncieren im ›Terminator‹«, sagte Wallander. »Sie bieten Ihre Dienste an. Aber es steht nicht da, worin diese Dienste bestehen.«
»Ich vermittle Kontakte.«
»Was für Kontakte?«
»Verschiedene Arbeitgeber, die interessant sein können.«
»Kriegsaufträge?«
»Manchmal. Leibwachen, Transportschutz. Das wechselt. Wenn ich wollte, könnte ich die schwedischen Zeitungen mit erstaunlichen Geschichten füttern.«
»Aber das tun Sie nicht?«
»Ich habe das Vertrauen meiner Kunden.«
»Ich gehöre nicht der Zeitungswelt an.«
|313| Ekberg hatte sich wieder gesetzt.
»Terre’Blanche in Südafrika«, sagte er. »Der Führer der Nazi-Partei unter den Buren. Er hat zwei schwedische Leibwächter. Nur als Beispiel. Aber wenn Sie das öffentlich behaupten, werde ich es natürlich abstreiten.«
»Ich werde nichts behaupten«, sagte Wallander.
Er hatte nichts mehr zu fragen. Was die Antworten, die er von Ekberg bekommen hatte, wirklich bedeuteten, wußte er noch nicht.
»Kann ich das Foto behalten?« fragte Ekberg. »Ich habe eine kleine Sammlung.«
»Behalten Sie es«, sagte Wallander. »Das Original haben wir.«
»Wer hat das Negativ?«
»Das wüßten wir auch gern.«
Als Wallander schon aus der Tür war, fiel ihm doch noch eine Frage ein. »Warum tun Sie das hier eigentlich?«
»Es kommen Ansichtskarten aus der ganzen Welt«, sagte Ekberg. »Das ist alles.«
Wallander begriff, daß das die Antwort war, die er hätte erwarten können. »Ich glaube es zwar kaum«, sagte er, »aber es ist möglich, daß ich noch einmal anrufe. Wenn ich noch Fragen habe.«
Ekberg nickte. Dann schloß er die Tür.
Als Wallander auf die Straße kam, war der Regen mit Schnee vermischt. Es war elf Uhr. Er hatte nichts mehr in Gävle zu tun. Er setzte sich in den Wagen. Harald Berggren hatte Holger Eriksson nicht getötet, und natürlich auch nicht Gösta Runfelt. Was vielleicht eine Spur hätte sein können, löste sich in nichts auf.
Wir müssen wieder von vorn anfangen, dachte Wallander. Wir müssen zum Ausgangspunkt zurückkehren. Wir vergessen Schrumpfköpfe und Tagebücher. Was sehen wir dann? Es muß möglich sein, Harald Berggren unter Holger Erikssons früheren Angestellten zu finden. Wir dürften auch als gesichert ansehen, daß er homosexuell war.
Die oberste Schicht der Ermittlung ergab nichts.
Wir müssen tiefer graben.
|314| Wallander ließ den Motor an. Er fuhr auf dem kürzesten Weg nach Arlanda. Als er ankam, hatte er Schwierigkeiten, die Stelle zu finden, an der er den Mietwagen abliefern sollte. Um zwei Uhr saß er in der Abflughalle und wartete auf seine Maschine. Er blätterte zerstreut in einer Abendzeitung, die jemand liegengelassen hatte. Der Schneeregen hatte nördlich von Uppsala aufgehört.
Die Maschine startete pünktlich. Wallander saß am Gang. Er schlief ein, sobald sie abgehoben hatte. Als er Druck auf den Ohren spürte, weil sie zum Landeanflug auf Sturup angesetzt hatte, wurde er wach. Neben ihm saß eine Frau und stopfte Strümpfe. Wallander betrachtete sie entgeistert. Als nächstes dachte er, daß er in Älmhult anrufen und sich nach seinem Wagen erkundigen mußte. Er würde ein Taxi nach Ystad nehmen. Aber als er aus der Maschine stieg und zum Ausgang ging, entdeckte er plötzlich Martinsson. Es mußte etwas passiert sein.
Nicht noch einer, dachte er.
Alles, nur das nicht.
Martinsson hatte ihn entdeckt.
»Was ist passiert?« fragte Wallander.
»Du mußt dein Mobiltelefon eingeschaltet lassen«, sagte Martinsson. »Man kriegt dich ja nicht zu fassen.«
Wallander wartete. Er hielt den Atem an. »Wir haben Gösta Runfelts Koffer gefunden«, sagte er.
»Wo?«
»Er lag notdürftig versteckt an der Straße nach Höör.«
»Wer hat ihn gefunden?«
»Jemand, der angehalten hat, um zu pinkeln. Er hat den Koffer gesehen und aufgemacht. Es lagen Papiere darin mit Runfelts Namen. Er hatte von dem Mord gelesen und rief direkt an. Nyberg ist jetzt da.«
»Gut«, dachte Wallander. »Immerhin eine Spur.«
»Dann laß uns hinfahren«, sagte er.
»Mußt du erst nach Hause?«
»Nein«, sagte Wallander. »Wenn ich eins nicht muß, dann das.«
Sie gingen zu Martinssons Wagen.
Plötzlich spürte Wallander, daß er es eilig hatte.
|315| 23
Der Koffer lag noch
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