Wallander 06 - Die fünfte Frau
ließ die Frage mit aller Wucht los. Birch bewegte sich am Fenster. Svedberg ging dazu über, seine Hände anzustarren.
»Ich weiß nicht, wer ihn hätte töten wollen.«
Das Kind gab wieder Laute von sich. Sie sprang auf. Wieder war sie fort. Wallander sah die beiden anderen an. Birch schüttelte den Kopf. Wallander versuchte, die Situation einzuschätzen. Es würde große Probleme bereiten, eine Frau zum Verhör vorzuladen, die ein drei Tage altes Kind hatte. Außerdem lag kein Verdacht gegen sie vor. Er entschloß sich schnell. Sie stellten sich wieder ans Fenster.
»Ich breche hier ab«, sagte Wallander. »Aber ich will, daß sie beschattet wird. Und ich will alles über sie wissen, was es überhaupt gibt. Sie scheint eine Firma zu haben, die irgendwelche Produkte für Haarpflege verkauft. Ich will alles über ihre Eltern wissen, Freunde, was sie früher gemacht hat. Sucht sie in allen Karteien, die es gibt. Ich brauche ein lückenloses Bild.«
»Wir nehmen das in die Hand«, sagte Birch.
»Svedberg bleibt hier in Lund. Wir brauchen hier jemand, der über die früheren Morde im Bild ist.«
»Eigentlich würde ich lieber nach Hause fahren«, sagte Svedberg. »Du weißt doch, daß ich mich außerhalb von Ystad nicht richtig wohl fühle.«
»Ich weiß«, sagte Wallander. »Aber im Moment ist es nicht zu ändern. Ich werde jemand bitten, dich abzulösen, wenn ich nach |396| Ystad komme. Wir können es uns im Augenblick nicht leisten, daß Leute unnötig hin- und herfahren.«
Plötzlich stand sie in der Tür. Sie hielt das Kind im Arm. Wallander lächelte. Sie gingen zu ihr und betrachteten den Jungen. Svedberg, der Kinder liebte, obwohl er selbst keine hatte, fing an, mit dem Baby herumzudallern.
Wallander merkte plötzlich, daß etwas eigentümlich war. Er dachte daran, wie es war, als Linda geboren wurde. Als Mona sie herumgetragen hatte. Als er selbst es getan hatte, ständig in Angst, sie fallen zu lassen.
Dann kam er darauf. Sie hielt das Kind nicht an ihren Körper gedrückt. Sie hielt es wie etwas, was eigentlich nicht zu ihr gehörte.
Ihm wurde beklommen zumute. Aber er ließ sich nichts anmerken.
»Wir wollen nicht länger stören«, sagte er. »Wir lassen mit Sicherheit wieder von uns hören.«
»Ich hoffe, Sie kriegen die Person, die Eugen ermordet hat«, sagte sie.
Wallander sah sie an. Dann nickte er.
»Ja«, sagte er. »Wir klären das auf. Das kann ich Ihnen versprechen.«
Sie kamen auf die Straße. Der Wind war noch stärker geworden.
»Was hältst du von ihr?« fragte Birch.
»Sie sagt natürlich nicht die Wahrheit«, sagte Wallander. »Aber es war, als ob sie auch nicht gelogen hätte.«
Birch betrachtete ihn fragend. »Wie soll ich das verstehen? Als ob sie zur gleichen Zeit gelogen und die Wahrheit gesagt hätte?«
»Ungefähr«, sagte Wallander. »Was das bedeutet, weiß ich auch nicht.«
»Mir ist eine Kleinigkeit aufgefallen«, sagte Svedberg plötzlich. »Daß sie ›die Person‹ gesagt hat und nicht ›ihn‹ oder ›den Täter‹.«
Wallander nickte, es war ihm auch aufgefallen.
»Muß das etwas zu bedeuten haben?« fragte Birch skeptisch.
|397| »Nein«, sagte Wallander. »Aber sowohl Svedberg als auch mir ist es aufgefallen. Und das wiederum bedeutet vielleicht etwas.«
Sie kamen überein, daß Wallander mit Svedbergs Wagen nach Ystad zurückfahren sollte. Er versprach erneut, jemand zu schicken, der ihn in Lund so schnell wie möglich ablöste.
»Das hier ist wichtig«, sagte er noch einmal zu Birch. »Katarina Taxell hat im Krankenhaus Besuch von dieser Frau gehabt. Wir müssen rausfinden, wer sie ist. Die Hebamme, die von ihr niedergeschlagen wurde, hat eine ziemlich gute Personenbeschreibung von ihr gegeben.«
»Gib sie mir«, sagte Birch. »Es kann ja sein, daß sie sie auch hier besucht.«
»Sie war sehr groß«, sagte Wallander. »Ylva Brink ist selbst 1,74. Sie glaubt, daß die Frau ungefähr 1,80 war. Dunkles Haar, halblang und glatt. Blaue Augen, spitze Nase, schmale Lippen. Sie war kräftig, aber nicht dick. Nicht besonders auffällige Figur. Die Wucht des Schlags läßt vermuten, daß sie stark ist. Vielleicht gut trainiert.«
»Das paßt aber auf ziemlich viele Personen«, sagte Birch.
»Das tun alle Personenbeschreibungen«, sagte Wallander. »Und doch begreift man sofort, wenn man die richtige gefunden hat.«
»Hat sie etwas gesagt? Wie war ihre Stimme?«
»Sie hat kein Wort gesprochen. Sie hat sie nur niedergeschlagen.«
»Hat sie auf
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