Wallander 06 - Die fünfte Frau
Haberman bestand. Aber das heißt nicht, daß Göte Tandvall nicht auch andere Informationen von Interesse für uns haben kann.«
Drei Stunden später rief Hamrén wieder an. Er saß in seinem Wagen und war auf dem Rückweg von Simrishamn. Er hatte Göte Tandvall angetroffen. Wallander wartete mit Spannung.
»Göte Tandvall ist eine äußerst resolute Person«, sagte Hamrén. »Er scheint ein sehr gemischtes Gedächtnis zu haben. An manche Dinge konnte er sich überhaupt nicht erinnern, an andere wieder sehr deutlich.«
»Krista Haberman?«
»Er konnte sich an sie erinnern. Ich bekam den Eindruck, daß sie eine sehr schöne Frau gewesen ist. Und er war sicher, daß Holger Eriksson ihr begegnet war. Mindestens bei zwei verschiedenen |444| Gelegenheiten. Unter anderem glaubte er sich an einen frühen Morgen auf der Landspitze von Falsterbo zu erinnern, als sie dort standen und zurückkehrende Wildgänse beobachteten. Oder vielleicht Kraniche. Da war er nicht sicher.«
»Ist er auch Vogelbeobachter?«
»Der Vater hat ihn mitgeschleppt.«
»Auf jeden Fall wissen wir das Wichtigste«, sagte Wallander.
»Es sieht tatsächlich so aus, als hinge das zusammen. Krista Haberman, Holger Eriksson.«
Wallander wurde von einem plötzlichen Unbehagen befallen. Er sah mit bedrückender Deutlichkeit, was er nun zu glauben begann.
»Ich möchte, daß du zurückfährst nach Ystad«, sagte er. »Und daß du alle Informationen durchgehst, die direkt mit ihrem Verschwinden zu tun haben. Wer hat sie zuletzt gesehen, und wann? Mach eine Zusammenfassung dieses Teils der Ermittlung.«
»Du denkst an etwas Bestimmtes«, sagte Hamrén.
»Sie verschwand«, sagte Wallander. »Man hat sie nie gefunden. Worauf läßt das schließen?«
»Daß sie tot ist.«
»Mehr als das. Vergiß nicht, daß wir uns im Umfeld einer Ermittlung befinden, bei der es darum geht, daß gegen Männer und Frauen gleichermaßen die denkbar schwerste Gewalt verübt worden ist.«
»Du meinst also, daß sie ermordet worden ist?«
»Hansson hat mir eine Übersicht über die Umstände ihres Verschwindens gegeben, soweit sie aus den Unterlagen hervorgehen. Der Mordgedanke war die ganze Zeit mit im Bild. Aber weil kein Beweis vorlag, durfte er nicht über andere denkbare Erklärungen dominieren. Keine voreiligen Schlüsse, alle Türen offen, bis eine geschlossen werden kann. Vielleicht haben wir uns jetzt dieser Tür genähert.«
»Sollte Holger Eriksson sie getötet haben?«
Wallander war überzeugt, daß Hamrén den Gedanken zum erstenmal dachte.
»Ich weiß es nicht«, sagte Wallander. »Aber von jetzt an dürfen wir nicht von der Möglichkeit absehen.«
|445| Hamrén versprach, die Zusammenstellung zu machen. Er würde sich melden, wenn er fertig war.
Nach dem Gespräch verließ Wallander Katarina Taxells Wohnung. Er mußte etwas essen. In einer Pizzeria in der Nähe aß er viel zu schnell und bekam Bauchschmerzen. Hinterher konnte er sich nicht einmal daran erinnern, wie es geschmeckt hatte.
Er hatte keine Zeit. Das Gefühl, daß bald etwas passieren würde, beunruhigte ihn. Da nichts darauf hindeutete, daß die Mordkette abgerissen war, arbeiteten sie gegen die Zeit. Sie wußten auch nicht, wieviel Zeit sie noch hatten. Ihm fiel ein, daß Martinsson ihm eine chronologische Übersicht über alles, was bisher geschehen war, versprochen hatte. Wäre Terese nicht überfallen worden, hätte er das heute erledigt. Auf dem Rückweg zu Katarina Taxells Wohnung sagte er sich, daß er nicht warten konnte. Er blieb unter dem Regenschutz einer Bushaltestelle stehen und rief in Ystad an. Ann-Britt Höglund war da. Sie hatte bereits mit Hamrén gesprochen und kannte die Bestätigung, daß Krista Haberman und Holger Eriksson sich begegnet waren. Wallander bat sie, den Zeitplan zu machen, den Martinsson für heute zugesagt hatte.
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist«, sagte er. »Aber wir wissen zu wenig darüber, wie diese Frau sich bewegt. Vielleicht klärt sich das Bild eines geographischen Zentrums, wenn wir ein Zeitschema aufstellen.«
»Jetzt sagst du ›diese Frau‹«, meinte Ann-Britt Höglund.
»Ja«, erwiderte Wallander. »Das tue ich. Aber wir wissen nicht, ob sie allein ist. Wir wissen auch nicht, welche Rolle sie spielt.«
»Was ist deiner Meinung nach mit Katarina Taxell passiert?«
»Sie ist abgehauen. Es ist sehr schnell gegangen. Jemand hat entdeckt, daß ihr Haus überwacht wurde. Sie hat sich aus dem Staub gemacht, weil sie etwas zu verbergen
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