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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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das Motiv, das diese Morde verbindet, Rache oder Haß ist.«
    »Und du glaubst noch immer, daß eine Frau hinter dem Ganzen steckt?«
    »Ja«, antwortete Wallander. »Jetzt noch mehr als vorher.«
    Nach dem Gespräch blieb Wallander draußen in der herbstlichen Abendluft stehen. Der Himmel war klar und ohne Wolken. Ein schwacher Wind streifte sein Gesicht.
    Er dachte, daß sie sich langsam dem Zentrum annäherten, nach dem er seit genau einem Monat suchte.
    Und doch hatte er keine Vorstellung davon, was sie dort finden würden.
    Die Frau, die er verdächtigte, entglitt ihm immer wieder. Zugleich ahnte er, daß er sie vielleicht irgendwo verstehen könnte.
     
    Sie öffnete vorsichtig die Tür zu den Schlafenden. Das Kind lag auf dem Rücken in dem Kinderbett, das sie am selben Tag gekauft hatte, Katarina Taxell in Embryonalstellung im Bett daneben. Sie stand vollkommen still und betrachtete sie.
Es war, als sähe sie sich selbst. Oder vielleicht war es ihre Schwester in dem Kinderbett.
    Plötzlich konnte sie nicht mehr klar sehen. Überall war sie umgeben von Blut. Nicht nur ein Kind wurde in Blut geboren. Das Leben selbst hatte seinen Ursprung in dem Blut, das floß, wenn man in die Haut schnitt. Blut, das seine eigenen Erinnerungen hatte an die Adern, in denen es einmal geflossen war. Sie sah es ganz deutlich. Ihre Mutter, die schrie, und den Mann, der über sie gebeugt stand, wie sie da mit gespreizten Beinen auf einem Tisch lag. Obwohl es mehr als vierzig Jahre her war, brauste die Zeit aus der Vergangenheit auf sie zu. Ihr ganzes Leben hatte sie versucht, dem zu entkommen. Aber es ging nicht. Die Erinnerungen holten sie immer wieder ein.
    Aber jetzt mußte sie diese Erinnerungen nicht mehr fürchten. Nicht jetzt, da ihre Mutter tot war und sie tun konnte, was sie wollte. Was sie tun mußte. Um all diese Erinnerungen von sich fernzuhalten.
    |488| Das Schwindelgefühl verflog ebenso rasch, wie es gekommen war. Vorsichtig trat sie an das Bett und betrachtete das schlafende Kind. Es war nicht ihre Schwester. Dieses Kind hatte bereits ein Gesicht. Ihre Schwester hatte gar nicht so lange gelebt, daß sich etwas hätte entwickeln können. Dies war das neugeborene Kind von Katarina Taxell. Nicht das ihrer Mutter. Katarina Taxells Kind, das für immer frei sein würde davon, gequält zu werden, von Erinnerungen gejagt zu werden.
    Sie war jetzt wieder ganz ruhig. Die Erinnerungsbilder waren verschwunden. Sie kamen nicht mehr aus der Vergangenheit auf sie zugebraust.
    Was sie tat, war richtig. Sie verhinderte es, daß Menschen auf die gleiche Weise gequält wurden wie sie selbst. Die Männer, die sich schuldig gemacht hatten und die die Gesellschaft selbst nicht strafte, ließ sie den schwersten aller Wege wandern. Auf jeden Fall stellte sie sich vor, daß es so war. Daß ein Mann, der durch eine Frau des Lebens beraubt wurde, nie verstehen konnte, was ihm eigentlich geschah.
    Alles war still. Das war am wichtigsten. Es war richtig gewesen, sie und das Kind zu holen. Ruhig zu sprechen, zuzuhören und zu sagen, daß alles, was geschehen war, zum Besten war. Eugen Blomberg war ertrunken. Was in den Zeitungen von einem Sack stand, waren nichts als Gerüchte und dramatische Übertreibungen. Eugen Blomberg war fort. Wenn er gestolpert oder ausgeglitten und dann ertrunken war, so war das niemandes Fehler. Das Schicksal hatte es so bestimmt. Und das Schicksal war gerecht. Das hatte sie wiederholt, ein ums andere Mal, und das hatte Katarina Taxell jetzt zu verstehen begonnen.
    Es war richtig gewesen, sie herzuholen. Auch wenn sie deshalb den Frauen, die kommen sollten, Nachricht hatte geben müssen, daß sie ihre Zusammenkunft in dieser Woche ausfallen lassen mußten. Das schuf Unordnung und ließ sie schlecht schlafen. Aber es war notwendig gewesen. Man konnte nicht alles planen. Auch wenn sie sich das nur ungern eingestehen wollte.
    Solange Katarina und ihr Kind bei ihr waren, wohnte auch sie selbst in dem Haus in Vollsjö. Aus der Wohnung in Ystad hatte sie nur das Nötigste mitgenommen. Ihre Uniformen und den kleinen |489| Kasten, in dem sie die Zettel aufbewahrte, und das Buch mit Namen. Nun, wo Katarina und ihr Kind schliefen, brauchte sie nicht länger zu warten. Sie schüttete die Zettel auf die Oberseite des Backofens, mischte sie und begann dann zu ziehen. Schon der neunte Zettel, den sie auswickelte, hatte das schwarze Kreuz. Sie schlug das Buch auf und folgte langsam der Reihe mit Namen. Hielt bei der Ziffer Neun an

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