Wallander 06 - Die fünfte Frau
Eisenbahner-Sportverein in Malmö. Das sind sicher viele. Aber was mich überrascht hat, ist, daß sie Krafttraining betreibt.«
Es wurde ganz still im Raum.
»Sie ist also mit anderen Worten vermutlich stark«, fuhr Martinsson fort. »Und wir suchen doch nach einer Frau mit großen Körperkräften.«
|515| Wallander überschlug rasch die Situation. Konnte sie es sein? Dann entschied er. »Wir lassen alle anderen Namen bis auf weiteres liegen«, sagte er. »Jetzt konzentrieren wir uns auf Yvonne Ander. Wiederhole alles noch einmal, bitte langsam.«
Martinsson wiederholte das, was er gesagt hatte. Sie kamen mit neuen Fragen. Auf viele hatten sie keine Antwort. Wallander sah auf seine Uhr. Viertel vor zwölf.
»Ich glaube, wir reden noch heute abend mit ihr.«
»Wenn sie nicht arbeitet«, sagte Ann-Britt Höglund. »Wenn man die Listen anguckt, sieht man, daß sie dann und wann Nachtzüge hat. Was komisch wirkt. Ansonsten arbeiten die Zugbegleiter und Zugchefs entweder tagsüber oder in der Nacht, nicht beides. Aber vielleicht irre ich mich?«
»Entweder ist sie zu Hause, oder sie ist es nicht«, sagte Wallander.
»Worüber wollen wir eigentlich mit ihr reden?«
Die Frage kam von Hamrén, und sie war berechtigt.
»Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß Katarina Taxell bei ihr ist«, sagte Wallander. »Notfalls können wir das als Vorwand nehmen. Daß ihre Mutter sich Sorgen macht. Damit müssen wir anfangen. Wir haben keine Beweise gegen sie. Wir haben nichts. Aber ich will auch an Fingerabdrücke kommen.«
»Wir rücken also nicht mit voller Besetzung aus«, sagte Svedberg.
Wallander nickte Ann-Britt Höglund zu. »Ich dachte, daß wir zwei sie besuchen. Wir können ja zur Sicherheit einen Wagen im Hintergrund haben. Falls etwas passiert.«
»Was sollte das sein?« fragte Martinsson.
»Das weiß ich nicht.«
»Ist das nicht ein bißchen unverantwortlich?« meinte Svedberg. »Immerhin verdächtigen wir sie der Beteiligung an schweren Gewaltverbrechen.«
»Wir nehmen natürlich Waffen mit«, erwiderte Wallander.
Sie wurden von einem Mann aus der Einsatzzentrale unterbrochen, der an die einen Spaltbreit geöffnete Tür klopfte. »Es ist eine Mitteilung von einem Arzt in Lund gekommen«, sagte er. »Er hat eine vorläufige Untersuchung der Skelettreste vorgenommen, die |516| ihr gefunden habt. Er glaubte, daß sie von einer Frau stammen. Und daß sie lange in der Erde gelegen haben.«
»Dann wissen wir das«, sagte Wallander. »Wenn sonst nichts ist, lösen wir einen siebenundzwanzig Jahre alten Vermißtenfall.«
Der Beamte verließ den Raum. Wallander knüpfte wieder an das Vorherige an. »Ich glaube nicht, daß etwas passiert«, wiederholte er.
»Und was sagen wir, wenn Katarina Taxell nicht da ist? Wir klingeln sie immerhin mitten in der Nacht raus.«
»Wir fragen nach Katarina«, sagte Wallander. »Wir suchen sie. Sonst nichts.«
»Und was, wenn sie nicht zu Hause ist?«
Wallander brauchte keine Bedenkzeit. »Dann gehen wir rein«, sagte er. »Und die im Wagen passen auf, falls sie nach Hause kommt. Wir haben unsere Telefone eingeschaltet. In der Zwischenzeit wartet ihr anderen hier. Ich weiß, daß es spät ist. Aber das ist nicht zu ändern.«
Keiner hatte etwas einzuwenden.
Kurz nach Mitternacht verließen sie das Polizeigebäude. Der Wind hatte inzwischen Sturmstärke erreicht. Wallander und Ann-Britt Höglund fuhren in ihrem Wagen. Martinsson und Svedberg bildeten die Nachhut. Die Liregatan lag mitten im Stadtzentrum. Sie parkten einen Block weiter. Die Stadt war wie ausgestorben, sie begegneten nur einem Auto, einer Nachtstreife der Polizei. Wallander fuhr es plötzlich durch den Kopf, ob die neuen Fahrradstreifen, die ihnen ins Haus standen, in einem Sturm wie diesem ausrücken konnten.
Yvonne Ander wohnte in einem restaurierten Fachwerkhaus. Ihre Tür führte direkt auf die Straße. Von den drei Wohnungen hatte sie die in der Mitte. Wallander und Ann-Britt Höglund gingen auf die gegenüberliegende Straßenseite und betrachteten die Fassade. Abgesehen von einem erleuchteten Fenster ganz links lag das Haus im Dunkeln.
»Entweder sie schläft«, sagte Wallander, »oder sie ist nicht zu Hause. Aber wir müssen davon ausgehen, daß sie da drinnen ist.«
Es war zwanzig Minuten nach zwölf.
|517| »Ist sie die Mörderin?« fragte Ann-Britt Höglund.
Wallander merkte, daß sie fror und sich unwohl fühlte.
War es, weil sie jetzt eine Frau jagten?
»Ja«, antwortete er.
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