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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hier wohnte, schöne Möbel hatte. Und sie rauchte. In einem Aschenbecher auf dem Beistelltisch neben einem Ledersofa waren keine Kippen, aber schwache Spuren von Asche. An den Wänden hingen Gemälde und Fotos. Er trat näher und sah sich einige der Bilder an, Stilleben, Blumenvasen. Nicht besonders gut gelungen. Ganz unten in der rechten Ecke eine Signatur:
Anna Ander -58
. Also eine Verwandte. Ander war ein ungewöhnlicher Name, dachte er. Er kam auch in der schwedischen Kriminalgeschichte vor, ohne daß er sich an den Zusammenhang erinnern konnte. Er betrachtete eine der gerahmten Fotografien. Ein Hof in Schonen. Das Bild war von schräg oben aufgenommen. Wallander vermutete, daß der Fotograf auf einem Dach oder einer hohen Leiter gestanden hatte. Er ging im Zimmer umher. Versuchte, ihre Gegenwart zu spüren. Er fragte sich, warum das so schwer war. Alles macht den Eindruck von Verlassenheit, dachte er. Eine pedantische Verlassenheit. Sie ist nicht oft hier. Sie verbringt ihre Zeit woanders.
    Er trat an ihren kleinen Schreibtisch an der Wand. Durch den Spalt neben der Gardine erkannte er einen kleinen Hinterhof. Das Fenster war nicht gut abgedichtet, der kalte Wind drang ins Zimmer. Er zog den Stuhl zurück und setzte sich. Versuchte die erste Schublade. Sie war unverschlossen. Auf der Straße fuhr ein Auto vorbei. Wallander sah das Licht der Scheinwerfer gegen ein Fenster fallen und verschwinden. Dann war es wieder nur der Wind. In der Schublade lagen Stapel zusammengebundener Briefe. Er suchte seine Brille und nahm den obersten heraus. Absender war A.   Ander, mit einer Adresse in Spanien. Er nahm den Brief aus |520| dem Umschlag und überflog ihn. Anna Ander war ihre Mutter. Das war eindeutig. Sie schilderte eine Reise. Auf der letzten Seite schrieb sie, daß sie auf dem Weg nach Algerien sei. Der Brief war vom April 1993.   Er legte ihn zurück auf den Stapel. Über ihm im ersten Stock knarrten die Fußbodendielen. Er fühlte mit der Hand ganz hinten in der Schublade. Nichts. Danach sah er die anderen Schubläden durch. Sogar Papiere können den Eindruck vermitteln, verlassen zu sein, dachte er. Er fand nichts, was ihn aufmerken ließ.
Es war zu leer, um natürlich zu sein.
Jetzt war er endgültig überzeugt, daß sie woanders wohnte. Er ging die Schubläden weiter durch.
    Der Fußboden über ihm knarrte.
    Es war halb zwei.
     
    Sie fuhr durch die Nacht und war sehr müde. Katarina war unruhig gewesen. Sie hatte ihr stundenlang zuhören müssen. Oft wunderte sie sich über die Schwäche dieser Frauen. Sie ließen sich quälen, mißhandeln, töten. Wenn sie einen Mordanschlag überlebten, saßen sie nachher Nächte hindurch und klagten. Sie verstand sie nicht. Jetzt, während sie durch die Nacht fuhr, dachte sie, daß sie die Frauen eigentlich verachtete. Weil sie keinen Widerstand leisteten.
    Es war ein Uhr. Normalerweise würde sie jetzt schlafen, sie hatte früh am nächsten Tag Dienst. Außerdem hatte sie geplant, in Vollsjö zu schlafen. Doch sie wagte es jetzt, Katarina mit ihrem Kind allein zu lassen. Sie hatte sie davon überzeugt, daß sie bleiben mußte, wo sie war. Noch ein paar Tage, vielleicht eine Woche. Morgen abend würden sie ihre Mutter wieder anrufen. Katarina würde anrufen. Sie selbst würde neben ihr sitzen. Sie glaubte nicht, daß Katarina etwas sagen würde, was sie nicht sagen sollte. Aber sie wollte doch dabeisein.
    Um zehn nach eins kam sie nach Ystad.
    Instinktiv ahnte sie die Gefahr, als sie in die Liregatan einbog. Das Auto, das mit ausgeschalteten Scheinwerfern parkte. Sie konnte nicht umkehren, sie mußte weiterfahren. Sie warf im Vorüberfahren |521| schnell einen Blick in das Auto. Zwei Männer saßen darin. Sie ahnte auch, daß in ihrer Wohnung Licht war. In ihrer Wut trat sie so hart aufs Gaspedal, daß das Auto einen Satz machte. Sie bremste ebenso heftig, als sie um die Ecke gebogen war. Sie hatten sie also gefunden. Die Männer, die Katarina Taxells Haus bewacht hatten. Jetzt waren sie in ihrer Wohnung. Sie merkte, wie ihr schwindelig wurde. Aber es war keine Angst. Sie hatte dort nichts, was sie nach Vollsjö führen konnte. Nichts, was ihnen verriet, wer sie war. Nichts außer ihrem Namen.
    Sie saß unruhig da. Der Wind rüttelte an ihrem Wagen. Sie hatte den Motor abgestellt und die Scheinwerfer ausgeschaltet. Jetzt war sie gezwungen, nach Vollsjö zurückzukehren. Sie wußte jetzt, warum sie von dort weggefahren war; um nachzusehen, ob die Männer, die sie

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