Wallander 06 - Die fünfte Frau
noch immer still. Keine Bewegungen. Sie gingen, Wallander als erster, Ann-Britt Höglund schräg hinter ihm. Der Wind die ganze Zeit in schweren Böen. Wallander warf noch einmal einen Blick auf die Uhr. Neunzehn Minuten nach fünf. Yvonne Ander müßte jetzt aufgestanden sein, wenn sie noch rechtzeitig zur Arbeit in ihrem frühen Morgenzug kommen wollte. Sie blieben vor der Tür stehen. Wallander holte tief Luft. Klopfte und trat einen Schritt zurück. Die Hand lag auf der Pistole in der rechten Jackentasche. Nichts passierte. Er trat einen Schritt vor und klopfte noch einmal. Fühlte gleichzeitig am Schloß. Die Tür war verriegelt. Er klopfte noch einmal. Plötzlich packte ihn Unruhe. Er schlug mit der Faust. Noch immer keine Reaktion. Irgend etwas stimmte nicht.
»Wir brechen die Tür auf«, sagte er. »Sag Bescheid. Wer hat das Stemmeisen mitgenommen? Warum haben wir es nicht?«
Ann-Britt Höglund sprach mit fester Stimme ins Walkie-Talkie. Stellte sich mit dem Rücken gegen den Wind. Wallander behielt die Fenster auf beiden Seiten der Haustür im Auge.
Svedberg kam mit dem Stemmeisen gelaufen. Wallander bat ihn, sofort in seine Position zurückzugehen. Dann steckte er das |527| Stemmeisen in den Spalt zwischen Tür und Rahmen. Er legte seine ganze Kraft in den Zug. Die Tür brach aus dem Schloß. Im Flur war Licht. Ohne es geplant zu haben, zog er seine Waffe. Ann-Britt Höglund folgte dicht hinter ihm. Wallander duckte sich und ging hinein. Sie stand schräg hinter ihm und gab ihm mit ihrer Pistole Deckung. Alles war still.
»Polizei!« rief Wallander. »Wir suchen Yvonne Ander.«
Nichts geschah. Er rief noch einmal. Vorsichtig bewegte er sich auf das Zimmer zu, das ihnen gegenüber lag. Sie folgte schräg hinter ihm. Das Gefühl von Unwirklichkeit stellte sich wieder ein. Er trat schnell in einen großen, offenen Raum, schwenkte mit der Pistole darüberhin. Alles war leer. Er ließ den Arm sinken. Ann-Britt Höglund stand auf der anderen Seite der Tür. Der Raum war riesig. Lampen brannten. Ein eigentümlich geformter Backofen war an der einen Längsseite.
Plötzlich wurde auf der anderen Seite des Raums eine Tür geöffnet. Wallander fuhr herum und hob wieder die Waffe, Ann-Britt Höglund ging auf ein Knie nieder. Katarina Taxell kam aus der Tür. Sie trug ein Nachthemd und sah aus, als hätte sie Angst.
Wallander senkte die Waffe, Ann-Britt Höglund tat das gleiche.
In diesem Augenblick wußte Wallander, daß Yvonne Ander nicht im Haus war.
»Was ist denn los?« fragte Katarina Taxell.
Wallander war mit wenigen Schritten bei ihr. »Wo ist Yvonne Ander?«
»Sie ist nicht hier.«
»Wo ist sie?«
»Ich nehme an, sie ist auf dem Weg zu ihrer Arbeit.«
Wallander hatte es jetzt sehr eilig. »Wer hat sie abgeholt?«
»Sie ist allein gefahren.«
»Ihr Auto steht aber vor der Tür.«
»Sie hat zwei Autos.«
So einfach, dachte Wallander. Es war nicht nur der rote Golf. »Geht es Ihnen gut?« fragte er dann. »Und Ihrem Kind?«
»Warum sollte es uns nicht gutgehen?«
Wallander sah sich hastig im Raum um, dann bat er Ann-Britt |528| Höglund, die anderen hereinzurufen. Sie hatten wenig Zeit und mußten weiter.
»Hol Nyberg her«, sagte er. »Dieses Haus muß vom Keller bis zum Dachfirst untersucht werden.«
Die verfrorenen Polizisten sammelten sich in dem großen weißen Raum.
»Sie ist weg«, sagte Wallander. »Sie ist unterwegs nach Hässleholm. Zumindest gibt es keinen Grund, etwas anderes anzunehmen. Dort fängt sie an zu arbeiten. Da steigt auch ein Fahrgast namens Tore Grundén zu, der als nächster Mann auf ihrer Todesliste steht.«
»Will sie ihn wirklich im Zug töten?« fragte Martinsson ungläubig.
»Wir wissen es nicht«, sagte Wallander. »Aber wir wollen keine weiteren Morde. Wir müssen sie fassen.«
»Wir sollten die Kollegen in Hässleholm vorwarnen«, sagte Hansson.
»Das machen wir unterwegs«, sagte Wallander. »Ich dachte, daß Martinsson und Hansson mit mir kommen. Ihr anderen fangt mit dem Haus an, und ihr redet mit Katarina Taxell.«
Er nickte zu ihr hinüber. Sie stand dicht an einer Wand. Das Licht war grau. Sie ging fast in der Wand auf, löste sich auf, wurde undeutlich. Konnte ein Mensch wirklich so farblos werden, daß er nicht mehr sichtbar war?
Sie fuhren los. Hansson saß am Steuer. Martinsson wollte gerade in Hässleholm anrufen, als Wallander ihn bat zu warten.
»Ich glaube, es ist am besten, wenn wir es selbst machen«, sagte er. »Wenn es ein Chaos
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