Wallander 06 - Die fünfte Frau
wüßte ich es. Dann hätte er darüber geklagt, wie teuer er war. Er konnte manchmal geizig sein.«
Aber die Reise nach Nairobi kostete 30 000 Kronen, dachte Wallander. Und das Geld war weggeworfen. Aber wohl kaum freiwillig.
|102| Er fühlte sein Unbehagen wachsen und beendete das Gespräch. In einer halben Stunde, sagte er, werde er mit dem Schlüssel vorbeikommen.
Erst als er aufgelegt hatte, fiel ihm ein, daß sie wahrscheinlich über Mittag den Laden zumachte. Dann dachte er an das, was sie gesagt hatte. Ein schwarzer Koffer. Die beiden, die er im Kleiderschrank gefunden hatte, waren grau. Eine Schultertasche hatte er auch nicht gesehen. Außerdem wußte er jetzt, daß Gösta Runfelt über Limhamn ausreiste. Er stellte sich ans Fenster und blickte über die Dächer. Die Polenfähre war nicht mehr zu sehen.
Die Sache ist nicht in Ordnung, dachte er. Gösta Runfelt ist nicht freiwillig verschwunden. Es muß ein Unglück geschehen sein. Aber auch das ist nicht sicher.
Um eine der entscheidendsten Fragen zu klären, ließ er sich von der Auskunft die Telefonnummer der Fährlinie zwischen Limhamn und Dragör geben. Er hatte Glück und bekam sogleich die Person an den Apparat, die sich um Fundsachen kümmerte. Der Mann sprach dänisch. Wallander erklärte, wer er war, und fragte nach dem schwarzen Koffer. Er nannte das Datum und wartete einige Minuten, bis der Däne, der sich als Mogensen gemeldet hatte, zurückkam.
»Nichts«, sagte er.
Wallander konzentrierte sich. Dann fragte er: »Kommt es vor, daß Passagiere von euren Schiffen verschwinden? Daß jemand über Bord geht?«
»Sehr selten«, antwortete Mogensen.
Es klang überzeugend.
»Aber es kommt vor?«
»Es kommt bei jeder Art von Schiffsverkehr vor«, sagte Mogensen. »Leute nehmen sich das Leben. Leute sind betrunken. Manche sind verrückt und wollen auf der Reling balancieren. Aber das geschieht sehr selten.«
»Gibt es eine Statistik darüber, ob Menschen, die über Bord gefallen sind, wiedergefunden werden? Tot oder lebendig?«
»Eine Statistik habe ich nicht«, sagte Mogensen. »Aber man hört ja dies und das. Die meisten werden an Land getrieben. Tot. |103| Manche bleiben in Fischernetzen hängen. Andere bleiben verschwunden. Aber nicht viele.«
Wallander hatte keine Fragen mehr. Er bedankte sich für die Hilfe und beendete das Gespräch.
Nichts war sicher. Aber dennoch war er jetzt überzeugt, daß Gösta Runfelt nicht nach Kopenhagen gefahren war. Er hatte seine Tasche gepackt, seinen Paß und seine Tickets eingesteckt und die Wohnung verlassen.
Dann war er verschwunden.
Wallander dachte an die Blutlache im Blumenladen und versuchte zu verstehen. Es war bald Viertel nach zwölf. Das Telefon in der Küche klingelte. Beim ersten Signal zuckte er zusammen. Dann ging er hin und nahm ab. Es war Hansson, der vom Tatort draußen anrief.
»Ich habe von Martinsson gehört, daß Runfelt verschwunden ist«, sagte er. »Wie läuft die Sache?«
»Er ist auf jeden Fall nicht hier«, antwortete Wallander.
»Hast du dir schon eine Meinung gebildet?«
»Nein. Aber ich glaube, er hatte die Absicht, zu fahren. Etwas kam dazwischen.«
»Könnte es einen Zusammenhang geben? Mit Holger Eriksson?«
»Die Möglichkeit können wir nicht ausschließen«, sagte Wallander.
Dann wechselte er das Thema und fragte, ob draußen etwas geschehen sei. Aber Hansson hatte keine Neuigkeiten. Nach dem Gespräch ging Wallander langsam noch einmal durch die Wohnung. Er hatte ein Gefühl, als sei irgend etwas da, was ihm auffallen müsse. Schließlich gab er auf. Im Flur blätterte er die Post durch. Da war der Brief vom Reisebüro. Eine Stromrechnung. Außerdem war ein Paket von einem Postversand in Borås abzuholen. Es war ein Nachnahmepaket, das ausgelöst werden mußte. Wallander steckte die Benachrichtigungskarte ein.
Vanja Andersson wartete im Laden auf ihn, als er mit den Schlüsseln kam. Er bat sie, sich zu melden, wenn ihr irgend etwas einfiele, was ihr wichtig schien.
Danach fuhr er zum Präsidium. Er gab Ebba die Benachrichtigungskarte |104| und bat sie, dafür zu sorgen, daß das Paket abgeholt wurde.
Um ein Uhr schloß er die Tür seines Büros.
Er war hungrig.
Aber seine Unruhe war größer. Er kannte das Gefühl und wußte, was es bedeutete.
Er bezweifelte, daß sie Gösta Runfelt lebend finden würden.
|105| 8
Gegen Mitternacht konnte Ylva Brink sich endlich hinsetzen, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Sie war eine der beiden Hebammen, die
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