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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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verstehe das nicht«, sagte sie plötzlich. »Gösta würde so etwas nie tun.«
    Wallander folgte ihrem Gedanken. »Wie lange arbeiten Sie schon für ihn?«
    »Fast elf Jahre.«
    »Und es ging immer gut?«
    »Gösta ist nett. Er liebt Blumen wirklich. Nicht nur Orchideen.«
    »Darüber reden wir später noch. Wie würden Sie ihn beschreiben?«
    Sie überlegte. »Nett und freundlich«, sagte sie. »Ein bißchen eigen. Ein Eigenbrötler.«
    Wallander dachte mit Unbehagen daran, daß diese Beschreibung wahrscheinlich auch auf Holger Eriksson paßte. Abgesehen von den Andeutungen, daß Eriksson kaum ein netter Mensch gewesen war.
    »Er war nicht verheiratet?«
    »Er war Witwer.«
    »Hatte er Kinder?«
    »Zwei. Sie sind verheiratet und haben selbst Kinder. Keins von beiden wohnt hier in Schonen.«
    »Wie alt ist Gösta Runfelt?«
    »Neunundvierzig Jahre.«
    |98| Wallander betrachtete seine Notizen. »Witwer«, sagte er. »Da muß seine Frau ziemlich jung gestorben sein. War es ein Unglück?«
    »Ich weiß nicht genau. Er hat nie darüber gesprochen. Aber ich glaube, sie ist ertrunken.«
    Wallander ließ die Frage fallen. Sie würden die Einzelheiten noch früh genug untersuchen. Falls es notwendig sein sollte. Was er nicht hoffte.
    Er legte den Bleistift auf den Tisch. »Sie haben sich gewiß Gedanken gemacht«, sagte er. »Über zwei Dinge: Erstens, warum er nicht nach Afrika geflogen ist, und zweitens, wo er sich befindet, wenn nicht in Nairobi.«
    Sie nickte. Wallander entdeckte plötzlich Tränen in ihren Augen. »Es muß etwas passiert sein«, sagte sie. »Als ich mit dem Reisebüro gesprochen hatte, bin ich in seine Wohnung gegangen. Sie liegt gleich nebenan. Ich habe einen Schlüssel. Ich sollte seine Blumen gießen. Ich bin zweimal dagewesen, seit er, wie ich glaubte, abgereist ist. Habe die Post auf den Tisch gelegt. Jetzt bin ich wieder hingegangen. Aber er war nicht da. Ist auch nicht dagewesen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Das hätte ich gemerkt.«
    »Was ist Ihrer Ansicht nach geschehen?«
    »Ich weiß es nicht. Er hat sich auf diese Reise gefreut. Im Winter wollte er sein Orchideenbuch beenden.«
    Wallander spürte, wie seine Unruhe weiter zunahm. Eine innere Warnuhr begann zu ticken. Er erkannte die lautlosen Alarmsignale und sammelte die Blumenkarten ein, auf denen er seine Notizen gemacht hatte. »Ich muß mir seine Wohnung ansehen«, sagte er. »Und Sie wollen den Laden wieder aufmachen. Ich glaube bestimmt, daß alles eine natürliche Erklärung findet.«
    Sie suchte eine Bekräftigung dieser Worte in seinem Gesicht. Doch Wallander sah ein, daß sie kaum eine finden würde.
    Er bekam die Schlüssel zur Wohnung. Sie lag in der gleichen Straße, einen Häuserblock näher an der Stadt.
    »Sie bekommen sie zurück, wenn ich fertig bin«, sagte er.
    |99| Auf der Straße drückte sich ein älteres Ehepaar mit Mühe an seinem nachlässig geparkten Wagen vorbei. Sie sahen ihn vorwurfsvoll an. Aber er tat unbeteiligt und ging davon.
     
    Die Wohnung lag im ersten Stock eines Hauses, das um die Jahrhundertwende gebaut worden sein mußte. Es gab einen Aufzug, doch Wallander nahm die Treppe. Vor ein paar Jahren hatte er überlegt, ob er seine Wohnung gegen eine andere in einem Haus wie diesem eintauschen sollte. Jetzt konnte er diesen Gedanken nicht mehr nachvollziehen. Wenn er die Wohnung in der Mariagatan aufgab, dann nur zugunsten eines Hauses mit Garten. Wo Baiba mit ihm leben würde. Und vielleicht auch ein Hund. Er schloß auf und trat ein. Der Gedanke durchzuckte ihn, wie oft er schon derart fremden Boden betreten hatte – die Wohnungen unbekannter Menschen. Er blieb an der Tür stehen und rührte sich nicht. Jede Wohnung hatte ihren eigenen Charakter. Wallander hatte sich im Lauf der Jahre angewöhnt, dem Wesen der Menschen, die dort wohnten, nachzuspüren. Langsam ging er durch die Wohnung. Der erste Schritt war oft der wichtigste. Der erste Eindruck. Zu dem er dann zurückkehren würde. Hier wohnte ein Mann, der Gösta Runfelt hieß und sich eines frühen Morgens nicht dort befunden hatte, wo er erwartet wurde, auf dem Flughafen Kastrup. Wallander dachte an das, was Vanja Andersson gesagt hatte. Gösta Runfelts Vorfreude auf die Reise.
    Nachdem er durch die vier Zimmer und die Küche gegangen war, blieb er in der Mitte des Wohnzimmers stehen. Es war eine große, helle Wohnung. Er hatte den unklaren Eindruck, daß man sie ohne großes Interesse möbliert hatte. Das einzige Zimmer mit einer gewissen

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