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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ausstrahlung war das Arbeitszimmer. Hier herrschte ein gepflegtes Chaos. Bücher, Papiere, Lithographien von Blumen, Landkarten. Ein überladener Arbeitstisch. Ein Computer. Auf einer Fensterbank ein paar Fotografien. Wahrscheinlich Kinder und Enkel. Ein Foto von Gösta Runfelt, von Riesenorchideen umgeben, irgendwo in einer asiatischen Landschaft. Auf der Rückseite stand mit Tinte, daß es 1972 in Birma aufgenommen worden war. Gösta Runfelt lächelte dem unbekannten Fotografen zu. Ein freundliches Lächeln eines braungebrannten |100| Mannes. Die Farben waren verblaßt. Aber nicht Gösta Runfelts Lächeln. Wallander stellte das Foto zurück und betrachtete eine Weltkarte an der Wand. Er hatte Mühe, Birma zu finden. Dann setzte er sich in den Schreibtischsessel. Gösta Runfelt wollte verreisen. Aber er trat die Reise nicht an, jedenfalls nicht die nach Nairobi mit dem Charterflug von Specialresor. Wallander ging ins Schlafzimmer. Das Bett war gemacht. Ein schmales Einzelbett. Auf dem Nachttisch ein Bücherstapel. Wallander betrachtete die Titel. Bücher über Blumen. Das einzige, das aus der Reihe fiel, war ein Buch über den internationalen Devisenhandel. Wallander legte es zurück. Er suchte nach etwas anderem. Er bückte sich und schaute unters Bett. Nichts. Er öffnete den Kleiderschrank. Auf einem Regal ganz oben lagen zwei Koffer. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und hob sie herunter. Beide waren leer. Dann ging er in die Küche und holte einen Stuhl. Er prüfte das oberste Regal, und jetzt sah er, was ihn stutzig gemacht hatte. In der Wohnung eines allein lebenden Mannes ist es äußerst selten ganz staubfrei. Gösta Runfelts Wohnung war keine Ausnahme. Der Staubrand war ganz deutlich. Es hatte noch ein Koffer dagelegen. Weil die beiden anderen, die er schon heruntergeholt hatte, alt waren und der eine außerdem ein defektes Schloß hatte, nahm Wallander an, daß Gösta Runfelt den dritten Koffer benutzt hatte. Wenn er gefahren war. Wenn der Koffer nicht irgendwo in der Wohnung war. Er hängte seine Jacke über eine Stuhllehne und öffnete alle Schränke und Abseiten, wo ein Koffer sein konnte. Er fand nichts und ging ins Arbeitszimmer zurück. Wenn Gösta Runfelt abgereist war, mußte er seinen Paß bei sich haben. Er durchsuchte die unverschlossenen Schreibtischschubladen. In einer lag ein altes Herbarium. Wallander schlug es auf.
Gösta Runfelt 1955.
Schon in seiner Schulzeit hatte er Blumen gepreßt. Wallander betrachtete eine vierzig Jahre alte Kornblume. Die blaue Farbe war noch immer da, zumindest als verblaßte Erinnerung. Wallander hatte nie Pflanzen gepreßt. Er suchte weiter, fand aber keinen Paß. Er runzelte die Stirn. Ein Koffer war weg. Außerdem der Paß. Tickets hatte er auch nicht gefunden. Er verließ das Arbeitszimmer und setzte sich in einen Sessel im Wohnzimmer. Den Sitzplatz zu wechseln |101| war ihm manchmal bei der Formulierung seiner Gedanken hilfreich. Vieles sprach dafür, daß Gösta Runfelt die Wohnung wirklich verlassen hatte. Mit seinem Paß, den Flugscheinen und einem gepackten Koffer.
    Er ließ seine Gedanken sich entwickeln. Konnte ihm auf dem Weg nach Kopenhagen etwas zugestoßen sein? Konnte er bei der Schiffspassage über Bord gegangen sein? Er holte eine der Blumenkarten aus seiner Jackentasche. Auf einer hatte er die Telefonnummer des Ladens notiert. Er ging in die Küche und wählte die Nummer. Durchs Fenster konnte er das hohe Silo im Hafen sehen. Dahinter war eine der Polenfähren auf dem Weg hinaus bei einer der Steinmolen. Vanja Andersson meldete sich.
    »Ich bin noch in der Wohnung«, sagte er. »Ich habe ein paar Fragen. Hat Runfelt erzählt, wie er nach Kopenhagen kommen wollte?«
    Ihre Antwort kam schnell und bestimmt. »Er fuhr immer über Limhamn und Dragör.«
    Nun war dieser Punkt geklärt.
    »Ich habe noch eine Frage. Wissen Sie, wie viele Koffer er hatte?«
    »Nein«, sagte sie. »Woher sollte ich das wissen?«
    Wallander stellte die Frage anders: »Wie sah sein Koffer aus? Vielleicht haben Sie ihn einmal gesehen?«
    »Er hatte selten viel Gepäck«, antwortete sie. »Er wußte, wie man reist. Er hatte eine Schultertasche und einen Koffer mit Rollen.«
    »Was für eine Farbe hatte der?«
    »Er war schwarz.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich bin sicher. Ich habe ihn ein paarmal abgeholt, wenn er zurückkam. Auf dem Bahnhof oder in Sturup. Gösta warf nie etwas unnötigerweise weg. Hätte er sich einen neuen Koffer kaufen müssen,

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