Wallander 06 - Die fünfte Frau
Besucher empfing. Außerdem hatte sie in der Zeitung von der schrecklichen Geschichte gelesen, die in der Nähe von Lödinge passiert war. Ein Autohändler war ermordet und in einen Graben geworfen worden. Vielleicht hatte die Polizei keine Zeit für sie. Vielleicht nicht einmal ihr Cousin. Sie ging zur Anmeldung und fragte, ob Inspektor Svedberg da sei. Das war er. Aber er war unabkömmlich.
»Sagen Sie ihm, Ylva läßt grüßen«, bat sie. »Ich bin seine Cousine.«
Nach einigen Minuten kam Svedberg heraus und begrüßte sie. Da er Familiensinn hatte und seine Cousine mochte, konnte er nicht umhin, ihr ein paar Minuten zu widmen. Sie setzten sich in sein Zimmer. Er hatte Kaffee geholt. Dann erzählte sie, was in der Nacht vorgefallen war. Svedberg meinte, daß es natürlich sonderbar sei. Aber kaum etwas, worüber man sich Sorgen machen müsse. Damit ließ sie es sein Bewenden haben. Sie hatte drei freie Tage vor sich, und rasch hatte sie die Schwester vergessen, die in der Nacht vom 30. September zum 1. Oktober durch die Entbindungsstation gegangen war.
|110| Spät am Freitag abend hatte Wallander seine ermüdeten Mitarbeiter zu einer Besprechung im Präsidium zusammengerufen. Um zehn Uhr schlossen sie die Türen, und die Sitzung zog sich bis weit nach Mitternacht hin. Er begann damit, ausführlich die Tatsache zu erläutern, daß sie es nun mit einer zweiten vermißten Person zu tun hatten. Martinsson und Ann-Britt Höglund hatten anhand der zugänglichen Register eine flüchtige Kontrolle vorgenommen, doch bislang war das Ergebnis negativ. Bei der Polizei lag nichts vor, was auf eine Verbindung zwischen Holger Eriksson und Gösta Runfelt hindeutete. Vanja Andersson erinnerte sich auch nicht, daß Gösta Runfelt jemals Holger Eriksson erwähnt hatte. Wallander erklärte, daß sie nichts anderes tun konnten, als unvoreingenommen zu arbeiten. Gösta Runfelt mochte jeden Augenblick auftauchen und eine plausible Erklärung für sein Verschwinden geben. Aber sie durften nicht vergessen, daß es Zeichen gab, die nichts Gutes verhießen. Wallander bat Ann-Britt Höglund, die Verantwortung für den Fall Gösta Runfelt zu übernehmen. Doch das bedeutete nicht, daß sie vom Mordfall Holger Eriksson abgekoppelt wurde. Wallander, der in der Regel dagegen war, bei komplizierten Ermittlungen Verstärkung anzufordern, hatte diesmal das Gefühl, daß sie vielleicht von Anfang an darum bitten sollten. Das äußerte er auch Hansson gegenüber. Sie einigten sich darauf, bis zum Beginn der nächsten Woche abzuwarten. Es konnte trotz allem sein, daß sie bei den Ermittlungen früher als erwartet einen Durchbruch verzeichneten.
Sie saßen am Konferenztisch und gingen alles durch, was sie bisher erreicht hatten. Wie üblich begann Wallander mit der Frage, ob jemand etwas Entscheidendes berichten könne. Er ließ den Blick um den Tisch wandern. Alle schüttelten den Kopf. Nyberg schneuzte sich leise am Tischende, wo er wie immer allein saß. Wallander gab ihm zuerst das Wort.
»Nichts bisher«, sagte Nyberg. »Wir haben es alle gesehen. Die Planken waren bis zum absoluten Grenzpunkt angesägt. Er ist gefallen und aufgespießt worden. Im Graben haben wir nichts gefunden. Woher die Bambusstangen kommen, wissen wir noch nicht.«
|111| »Und der Turm?« fragte Wallander.
»Wir haben nichts gefunden«, sagte Nyberg. »Aber wir sind noch lange nicht fertig. Es wäre natürlich hilfreich, wenn du uns sagen könntest, wonach wir suchen sollen.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Wallander. »Aber derjenige, der das getan hat, muß ja von irgendwoher gekommen sein. Wir haben den Pfad von Holger Erikssons Haus. Drumherum sind Äcker. Und hinter dem Hügel liegt ein Wäldchen.«
»Es führt ein Traktorweg zum Wäldchen«, sagte Ann-Britt Höglund. »Mit Wagenspuren. Aber keiner der Nachbarn scheint etwas Ungewöhnliches bemerkt zu haben.«
»Offenbar besaß Holger Eriksson ein großes Stück Land«, warf Svedberg ein. »Ich habe mit einem Bauern namens Lundberg gesprochen. Er hat vor über zehn Jahren mehr als fünfzig Hektar an Eriksson verkauft. Weil es sein Land war, gab es für andere keinen Grund, sich dort aufzuhalten. Und das bedeutet, daß nur wenige Einblick hatten.«
»Wir müssen noch mit vielen anderen reden«, sagte Martinsson und blätterte in seinen Papieren. »Ich habe übrigens mit den Gerichtsmedizinern in Lund gesprochen. Sie glauben, daß sie Montag morgen etwas sagen können.«
Wallander notierte. Dann wandte
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