Wallander 06 - Die fünfte Frau
Wetterverhältnissen funktioniert.«
»Schreib das mal in
Svensk Polis
«, schlug Wallander vor.
»Und woher soll ich die Zeit dazu nehmen?«
Die Frage blieb unbeantwortet. Sie gingen durchs Haus.
»Ich habe nichts Ungewöhnliches gefunden«, sagte Nyberg. »Auf jeden Fall noch nicht. Aber das Haus hat viele Winkel und Abseiten.«
»Ich bleibe eine Weile hier«, sagte Wallander. »Ich muß mich umsehen.«
Nyberg ging zurück zu seinen Technikern. Wallander setzte sich ans Fenster. Ein Sonnenstrahl wärmte seine Hand. Sie war noch gebräunt.
Er blickte sich in dem großen Raum um und dachte an das Gedicht. Wer schrieb eigentlich Gedichte über einen Specht? Er holte das Blatt und las das Gedicht von Holger Eriksson noch einmal. Er sah ein, daß es darin Formulierungen gab, die schön waren. Wallander selbst hatte höchstens in seiner Kindheit etwas |124| in die Poesiealben seiner Klassenkameradinnen geschrieben. Aber Gedichte hatte er nie gelesen. Linda hatte einmal darüber geklagt, daß es in der Familie, in der sie aufgewachsen war, nie Bücher gegeben hatte. Wallander konnte nicht widersprechen. Er ließ den Blick über die Wände gleiten.
Ein vermögender Autohändler. Fast achtzig Jahre alt. Der Gedichte schreibt. Und sich für Vögel interessiert. Genug, um spätabends rauszugehen und zu unsichtbaren nächtlichen Zugvögeln hinaufzustarren. Oder frühmorgens.
Sein Blick wanderte. Der Sonnenstrahl wärmte noch immer seine Hand. Plötzlich fiel ihm etwas ein, das in der Einbruchsanzeige stand, die sie aus dem Archiv ausgegraben hatten.
Erikssons Angaben zufolge ist die Tür mittels eines Brecheisens oder etwas Ähnlichem aufgestemmt worden. Eriksson gibt jedoch an, daß nichts gestohlen wurde.
Es hatte noch etwas dagestanden. Wallander suchte in seinem Gedächtnis. Dann kam er darauf.
Der Safe war unberührt.
Er ging zu Nyberg, der in einem der Schlafzimmer beschäftigt war. »Hast du einen Safe gesehen?« fragte er.
»Nein.«
»Es soll einer dasein«, sagte Wallander. »Laß uns den mal suchen.«
Nyberg kniete neben dem Bett. Als er aufstand, sah Wallander, daß er Knieschützer trug.
»Bist du sicher?« fragte Nyberg. »Ich hätte ihn finden müssen.«
»Ja«, erwiderte Wallander. »Es gibt einen Safe.«
Sie durchsuchten methodisch das Haus. Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie Erfolg hatten. Einer von Nybergs Leuten entdeckte ihn hinter einer Ofenklappe in einer Anrichte in der Küche. Die Klappe war schwenkbar. Der Safe war in die Wand eingemauert. Er hatte ein Kombinationsschloß.
»Ich glaube, ich weiß, wo die Kombination ist«, sagte Nyberg. »Eriksson hatte wohl doch Angst, daß sein Gedächtnis ihn auf seine alten Tage im Stich lassen könnte.«
Wallander folgte Nyberg zurück zum Schreibtisch. In einer der Schubladen hatte Nyberg zuvor eine kleine Schachtel mit einem Zettel gefunden, auf dem eine Ziffernreihe stand. Als sie sie ausprobierten, |125| wurde die Sperre freigegeben. Nyberg trat zur Seite, damit Wallander öffnen konnte.
Wallander blickte in den Safe. Dann fuhr er zusammen. Er tat einen Schritt zurück und trat Nyberg auf die Zehen.
»Was ist?« fragte Nyberg.
Wallander machte ihm ein Zeichen, selbst nachzusehen. Nyberg streckte den Kopf vor. Auch er fuhr zurück. Doch nicht so heftig wie Wallander.
»Das sieht aus wie ein Menschenkopf«, sagte Nyberg.
Er wandte sich zu einem seiner Mitarbeiter um, der beim Zuhören blaß geworden war. Nyberg bat ihn, eine Taschenlampe zu holen. Während sie warteten, standen sie unbeweglich. Wallander spürte, daß ihm schwindlig war. Er holte ein paarmal tief Luft. Nyberg betrachtete ihn fragend. Dann wurde ihnen die Taschenlampe gereicht. Nyberg leuchtete in den Safe. Es stand wirklich ein Kopf darin, in der Mitte des Halses abgetrennt. Die Augen waren geöffnet. Aber es war kein gewöhnlicher Kopf. Er war geschrumpft und getrocknet. Ob es ein Affe oder ein Mensch war, konnten weder Wallander noch Nyberg entscheiden. Außer dem Kopf waren nur ein paar Kalender und Notizbücher im Safe. Im selben Augenblick betrat Ann-Britt Höglund den Raum. Die gespannte Aufmerksamkeit verriet ihr, daß etwas geschehen war. Sie fragte nicht, was es war, sondern blieb im Hintergrund.
»Sollen wir den Fotografen herholen?« fragte Nyberg.
»Es reicht, wenn du ein paar Bilder machst«, antwortete Wallander. »Am wichtigsten ist, daß wir es da rauskriegen.«
Dann wandte er sich zu Ann-Britt Höglund. »Es ist ein Kopf da drin«, sagte er. »Ein
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