Wallander 06 - Die fünfte Frau
Wallander vertraute Martinssons Urteil. Die Lieferfirma hieß Secur und hatte eine Adresse am Getängsvägen in Borås.
»Laß uns mal anrufen und nachfragen, ob Gösta Runfelt auch andere Sachen gekauft hat«, sagte Wallander.
»Ich vermute, sie werden nicht besonders mitteilsam sein, was Informationen über ihre Kunden angeht«, sagte Martinsson. »Außerdem ist es früh am Samstagmorgen.«
»Ihr Bestelltelefon ist rund um die Uhr besetzt«, sagte Wallander und zeigte auf den Lieferschein, der obenauf lag.
»Das ist bestimmt nur ein Anrufbeantworter«, sagte Martinsson. »Ich habe bei einem Postversand in Borås mal Gartengeräte gekauft. Ich weiß, wie das funktioniert. Da sitzen keine Telefonisten rund um die Uhr, wenn man das glaubt.«
Wallander betrachtete eins der kleinen Mikrophone. »Ist das hier wirklich gesetzlich? Du hast recht, das sollten wir mal rausfinden.«
»Ich glaube, das kann ich dir schon jetzt sagen«, meinte Martinsson. »Ich habe ein paar Zusammenfassungen in meinem Zimmer, die genau davon handeln.«
Er verließ den Raum und war kurz danach wieder da. In der Hand hielt er ein paar dünne Hefte. »Die Informationsabteilung der Reichspolizeibehörde«, sagte er. »Vieles von dem, was sie rausgeben, ist richtig gut.«
»Ich lese, sooft ich Zeit habe«, sagte Wallander. »Aber manchmal frage ich mich, ob sie nicht viel zuviel bringen.«
»Hier haben wir was: ›Wanzen als strafprozessuelles Zwangsmittel‹«, sagte Martinsson und legte ein Heft auf den Schreibtisch. »Das interessiert uns vielleicht nicht so dringend. Aber hier: ›Hinweise bezüglich Abhörausrüstung‹.«
Martinsson blätterte. Hielt inne und las.
»Nach schwedischem Gesetz ist es ungesetzlich, Abhörausrüstungen zu besitzen, zu verkaufen und einzuführen«, sagte er. »Was eigentlich bedeuten müßte, daß es auch verboten ist, sie herzustellen.«
»Also sollten wir unsere Kollegen in Borås einmal auf diesen Postversand ansetzen«, sagte Wallander. »Sie betreiben illegalen Verkauf. Und illegalen Import.«
|120| »Postversandfirmen sind normalerweise sehr seriös«, sagte Martinsson. »Ich vermute, daß dies ein schwarzes Schaf ist, das die Branche vielleicht selbst gern los wäre.«
»Nimm Kontakt mit Borås auf«, sagte Wallander. »So schnell wie möglich.«
Er dachte zurück an seinen Besuch in Gösta Runfelts Wohnung. Als er die Schreibtischschubladen und die Schränke durchsucht hatte, war er auf keine technische Ausrüstung dieser Art gestoßen.
»Ich glaube, wir sollten Nyberg das hier mal zeigen«, sagte er. »Bis auf weiteres lassen wir es dabei bewenden. Aber es kommt mir seltsam vor.«
Martinsson stimmte ihm zu. Auch er konnte nicht verstehen, wozu ein Orchideenliebhaber eine Abhöreinrichtung brauchte.
Wallander packte die Sachen wieder in den Karton. »Ich fahre raus nach Lödinge«, sagte er.
»Ich habe einen Mann ausfindig gemacht, der über zwanzig Jahre lang für Holger Eriksson Autos verkauft hat«, sagte Martinsson. »Ich treffe ihn in einer halben Stunde draußen in Svarte. Wenn der uns kein Bild liefern kann, wer Holger Eriksson war, dann weiß ich auch nicht.«
Sie trennten sich bei der Anmeldung. Wallander hatte Runfelts elektronische Kiste unter dem Arm. Er blieb bei Ebba stehen.
»Was hat mein Vater gesagt?« fragte er.
»Er bat mich, dir zu bestellen, daß du natürlich nur anrufen solltest, wenn du Zeit hättest.«
Wallander wurde sofort mißtrauisch. »Klang das ironisch?«
Ebba sah ihn ernst an. »Dein Vater ist ein sehr freundlicher Mann. Er hat großen Respekt vor deiner Arbeit.«
Wallander wußte, daß die Wahrheit ganz anders aussah, und schüttelte nur den Kopf. Ebba zeigte auf den Karton. »Ich habe das aus meiner eigenen Tasche ausgelegt«, sagte sie. »Es gibt ja bei der Polizei heutzutage keine Portokasse mehr.«
»Gib mir die Rechnung«, sagte Wallander. »Reicht es, wenn du das Geld Montag bekommst?«
Ebba war es zufrieden. Wallander verließ das Gebäude. Es regnete nicht mehr, und die Wolkendecke war aufgerissen. Es würde |121| ein klarer und schöner Herbsttag werden. Wallander stellte den Karton auf den Rücksitz und verließ Ystad. Jetzt, wo die Sonne schien, war die Landschaft weniger bedrückend. Für einen Augenblick fühlte er sich auch weniger beunruhigt. Der Mord an Holger Eriksson türmte sich auf wie ein Alptraum. Aber es gab vielleicht trotz allem eine logische Erklärung. Daß Gösta Runfelt ebenfalls verschwunden zu sein schien, mußte
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