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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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geschrumpfter Menschenkopf. Oder vielleicht von einem Affen.«
    Sie beugte sich vor und sah in den Safe. Wallander bemerkte, daß sie nicht zusammenzuckte. Um Nyberg und seinen Leuten Platz zu machen, traten sie zurück. Wallander war der Schweiß ausgebrochen.
    »Ein Safe mit einem Kopf«, sagte sie. »Geschrumpft oder nicht. Affe oder nicht. Was fangen wir damit an?«
    »Holger Eriksson muß ein sehr viel komplizierterer Mensch gewesen sein, als wir uns bisher vorgestellt haben«, sagte Wallander.
    |126| Sie warteten darauf, daß Nyberg und seine Leute den Safe leerten. Es war neun Uhr. Wallander erzählte von der Sendung der Postversandfirma in Borås. Ann-Britt Höglund sah den Karton durch und fragte sich, was das bedeuten konnte. Sie beschlossen, daß jemand Gösta Runfelts Wohnung noch einmal methodischer durchsuchen sollte, als Wallander es getan hatte. Das beste wäre, wenn Nyberg einen seiner Männer entbehren könnte. Ann-Britt Höglund rief im Präsidium an und erfuhr, daß die dänische Polizei, bei der sie angefragt hatten, nicht von einer angetriebenen männlichen Leiche in den letzten Tagen berichten mußte. Auch die Polizei in Malmö und die Seenotrettung hatten keine Informationen über angeschwemmte Leichen. Um halb zehn brachte Nyberg den Kopf und die übrigen Gegenstände aus dem Safe. Wallander schob das Gedicht über den Specht beiseite. Nyberg stellte den Kopf ab. Im Safe hatte sich auch noch eine Schachtel mit einer Medaille befunden. Aber der vertrocknete und geschrumpfte Kopf zog ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Bei Tageslicht bestand kein Zweifel mehr. Es war ein Menschenkopf. Ein schwarzer Kopf. Vielleicht der eines Kindes. Oder zumindest eines jungen Menschen. Als Nyberg ihn mit einem Vergrößerungsglas betrachtete, sah er, daß die Haut von Motten angefressen war. Wallander verzog das Gesicht, als Nyberg sich ganz nah an den Kopf beugte und daran roch.
    »Wer könnte etwas über geschrumpfte Köpfe wissen?« fragte Wallander.
    »Das Ethnographische Museum«, erwiderte Nyberg. »Obwohl es heutzutage wohl Völkerkundemuseum heißt. Die Reichspolizeibehörde hat eine wirklich ausgezeichnete kleine Broschüre herausgebracht. Da steht, wo man Informationen über die sonderbarsten Phänomene einholen kann.«
    »Dann kontakten wir die«, sagte Wallander. »Am besten wäre es, wenn wir schon jetzt am Wochenende jemanden fänden, der uns Fragen beantworten kann.«
    Nyberg verstaute den Kopf in einem Plastiksack. Wallander und Ann-Britt Höglund setzten sich an den Tisch und begannen, die übrigen Dinge in Augenschein zu nehmen. Die Medaille, die auf einem kleinen seidenen Polster lag, hatte eine französische |127| Inschrift. Keiner von ihnen verstand den Wortlaut. Wallander wußte, daß es sich kaum lohnen würde, Nyberg zu fragen. Sein Englisch war schlecht, sein Französisch sicher so gut wie null. Dann gingen sie die Bücher durch. Die Kalender waren aus den frühen sechziger Jahren. Auf dem Vorsatzblatt erkannten sie einen Namen:
Harald Berggren
. Wallander sah Ann-Britt Höglund fragend an. Sie schüttelte den Kopf. Der Name war bisher in den Ermittlungen nicht aufgetaucht. Es waren nur wenige Notizen in den Kalendern. Ein paar Uhrzeiten. Initialen. An einer Stelle die Buchstaben HE.   Es war am 10.   Februar 1960.   Vor mehr als dreißig Jahren.
    Danach blätterte Wallander in dem Notizbuch. Es war im Gegensatz zu den Kalendern vollgeschrieben. Eine Art Tagebuch. Die erste Eintragung war im November 1960 gemacht worden. Die letzte im Juli 1961.   Die Schrift war sehr klein und schwer lesbar. Ihm fiel ein, daß er natürlich den Termin beim Optiker vergessen hatte. Er lieh sich von Nyberg ein Vergrößerungsglas. Blätterte. Las hier und da eine Zeile. »Das handelt von Belgisch-Kongo«, sagte er. »Jemand, der dort gewesen ist, während eines Krieges. Als Soldat.«
    »Holger Eriksson oder Harald Berggren?«
    »Harald Berggren. Wer immer das sein mag.«
    Dann legte er das Heft beiseite. Ihm war klar, daß es wichtig sein konnte und daß er es gründlich lesen mußte. Sie sahen sich an. Wallander wußte, daß sie beide an das gleiche dachten. »Ein geschrumpfter Menschenkopf«, sagte er. »Und ein Tagebuch, das von einem Krieg in Afrika handelt.«
    »Ein Pfahlgrab«, sagte Ann-Britt Höglund. »Eine Erinnerung an den Krieg. In meiner Vorstellung gehören geschrumpfte Menschenköpfe und aufgespießte Menschen zusammen.«
    »In meiner auch«, sagte Wallander. »Fragt sich nur, ob wir

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