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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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1960, im Juni, verläßt er Schweden mit dem Zug und bleibt einen Tag in Kopenhagen, um ins Tivoli zu gehen. Dort tanzt er an einem lauen Sommerabend mit einer Frau, die Irene heißt. Er schreibt, daß sie
süß, aber viel zu groß
ist. Am nächsten Tag ist er in Hamburg. Am folgenden Tag, dem 12.   Juni, befindet er sich in Brüssel. Nach ungefähr einem Monat hat er sein Ziel erreicht, einen Kontrakt als Söldner. Stolz notiert er, daß er jetzt Sold bekommt und in den Krieg ziehen wird. Wallander hat den Eindruck, daß der junge Mann jetzt fast am Ziel seiner Träume ist. Dies alles hat er übrigens zu einem späteren Zeitpunkt ins Tagebuch geschrieben, unter dem Datum 20.   November 1960.   In dieser ersten und außerdem längsten Tagebucheintragung faßt er die Ereignisse zusammen, die ihn zu dem |133| Ort geführt haben, an dem er sich gerade befindet, und da ist er in Afrika. Als Wallander auf den Namen stieß, Omerutu, stand er auf und suchte seinen alten Schulatlas, der ganz zuunterst in einem Karton im Kleiderschrank lag. Aber natürlich war Omerutu nicht aufgeführt. Er ließ aber die alte Karte aufgeschlagen auf dem Küchentisch liegen, während er weiterlas. Zusammen mit Terry O’Banion und Simon Marchand gehört Harald Berggren zu einer ausschließlich aus Söldnern bestehenden Kampfeinheit. Ihr Führer, über den Harald Berggren im Tagebuch auffallend wenig berichtet, ist ein Kanadier, der nie anders als Sam genannt wird. Harald Berggren scheint sich auch nicht sonderlich dafür zu interessieren, worum es in dem Krieg geht. Wallander hatte selbst äußerst vage Vorstellungen vom Krieg in dem Teil Afrikas, der damals und auch auf Wallanders alter Karte Belgisch-Kongo genannt wurde. Harald Berggren scheint kein Bedürfnis zu haben, seine Anwesenheit als bezahlter Soldat zu rechtfertigen. Er schreibt lediglich, daß sie für die Freiheit kämpfen. Aber wessen Freiheit? Das wird nie klar. Er schreibt mehrfach, unter anderem am 11.   Dezember 1960 und am 19.   Januar, daß er nicht zögern wird, seine Waffe zu benutzen, wenn er in eine Kampfsituation geraten sollte, in der schwedische U N-Soldaten auf der anderen Seite kämpfen. Außerdem notiert er jedesmal genau, wenn er seinen Sold bekommt. Er führt am letzten Tag eines jeden Monats Miniaturabrechnungen durch. Wieviel er ausbezahlt bekommen hat, wieviel er ausgegeben und wieviel er zurückgelegt hat. Mit Genugtuung notiert er sich auch jede Kriegsbeute, die er mit Beschlag belegt hat. In einem außergewöhnlich abstoßenden Abschnitt des Tagebuchs beschreibt er, wie die Söldner zu einer verlassenen, niedergebrannten Plantage kommen – die halbverwesten Leichen, von schwarzen Fliegenschwärmen umgeben, liegen noch im Haus. Der Plantagenbesitzer und seine Frau, zwei Belgier, liegen tot in ihren Betten. Ihnen sind Arme und Beine abgehackt worden. Der Gestank war entsetzlich. Aber die Söldner durchsuchten dennoch das Haus und fanden Diamanten und Goldschmuck, deren Wert ein libanesischer Juwelier später auf über 2o 000   Kronen schätzt. Harald Berggren schreibt bei dieser Gelegenheit, daß der gute Verdienst den Krieg rechtfertigt. In |134| einer persönlichen Reflexion, wie sie sonst im Tagebuch nicht vorkommt, stellt Harald Berggren sich die Frage, ob er den gleichen Wohlstand erreicht hätte, wenn er in Schweden geblieben und als Automechaniker gearbeitet hätte. Er verneint dies. In einem solchen Leben hätte er es zu nichts gebracht. Er nimmt weiterhin mit großem Eifer an seinem Krieg teil.
    Abgesehen von der Besessenheit, Geld zu verdienen und die Summen genau zu notieren, führt Harald Berggren auch in einem anderen Punkt sorgfältig Buch.
    Harald Berggren tötet Menschen in seinem afrikanischen Krieg. Er notiert Zeitpunkt und Anzahl. Wo es ihm möglich ist, schreibt er auch auf, ob er nachher in die Nähe derer kommen konnte, die er getötet hat. Er notiert, ob es sich um einen Mann oder eine Frau oder ein Kind handelt. Kühl konstatiert er außerdem, wo die Schüsse, die er abgegeben hat, die Toten getroffen haben. Wallander las diese regelmäßig wiederkehrenden Passagen mit wachsendem Abscheu und Zorn. Harald Berggren hat nichts in diesem Krieg zu suchen. Er bekommt Sold, um zu töten. Wer ihn bezahlt, bleibt unklar. Und die Menschen, die er tötet, sind selten Soldaten, selten Männer in Uniform. Die Söldner überfallen verschiedene Dörfer, die als feindlich eingeschätzt werden gegenüber der Freiheit, für deren Bewahrung

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