Wallander 06 - Die fünfte Frau
oder laufen in wilder Flucht davon. Mit Ausnahme von Irene, die er im Tivoli in Kopenhagen getroffen hat. Die süß war, aber viel zu groß. Ansonsten erwähnt er keine Frauen. Er schreibt von Urlaub in verschiedenen Städten im Kongo, daß er sich betrunken hat und in Schlägereien verwickelt war. Aber keine Frauen. Nur Irene.
Wallander kam nicht von dem Gedanken los, daß dies eine Bedeutung hatte. Harald Berggren ist ein junger Mann, als er nach Afrika kommt. Der Krieg ist ein Abenteuer. In der Welt eines jungen Mannes sind Frauen ein wichtiger Bestandteil des Abenteuers.
Er begann sich zu fragen. Aber zunächst behielt er seine Gedanken für sich.
Ann-Britt Höglund kam, um zu berichten, daß sie, gemeinsam mit einem von Nybergs Technikern, Gösta Runfelts Wohnung noch einmal durchsucht hatte. Das Ergebnis war negativ. Sie hatten nichts gefunden, was erklären konnte, warum er eine Abhörausrüstung gekauft hatte.
|137| »Gösta Runfelts Welt besteht aus Orchideen«, sagte sie. »Ich habe den Eindruck eines freundlichen Witwers und Orchideenliebhabers.«
»Seine Frau soll ertrunken sein«, sagte Wallander.
»Sie war sehr schön«, sagte Ann-Britt Höglund. »Ich habe ihr Hochzeitsfoto gesehen.«
»Vielleicht sollten wir herausfinden, was passiert ist«, sagte Wallander. »Irgendwann.«
»Martinsson und Svedberg haben Kontakt zu seinen Kindern aufgenommen«, sagte sie. »Aber die Frage ist, ob wir nicht anfangen sollten, diesen Fall ernsthaft in Angriff zu nehmen.«
Wallander hatte bereits mit Martinsson am Telefon gesprochen. Er hatte mit Gösta Runfelts Tochter telefoniert. Sie hatte die Vorstellung, daß ihr Vater freiwillig verschwunden sein könnte, entschieden von sich gewiesen und war sehr besorgt. Sie wußte, daß er nach Nairobi fliegen wollte, und war davon ausgegangen, daß er dort sei.
Wallander stimmte Ann-Britt Höglund zu. Von jetzt an war Gösta Runfelts Verschwinden für die Polizei ein dringlicher Fall. »Da stimmt zu vieles nicht«, sagte er. »Svedberg wollte anrufen, wenn er mit dem Sohn gesprochen hätte. Er war irgendwo in einem Sommerhaus in Hälsingland, wo es kein Telefon gab.«
Sie kamen überein, für den frühen Sonntag nachmittag eine Dienstbesprechung anzusetzen. Ann-Britt Höglund übernahm es, das Ganze zu organisieren. Dann erzählte Wallander ihr von dem Inhalt des Tagebuchs. Er nahm sich Zeit und versuchte, ausführlich zu sein. Indem er es ihr erzählte, machte er gleichzeitig eine Zusammenfassung für sich selbst.
»Harald Berggren«, sagte sie, als er geendet hatte. »Kann er es sein?«
»Er hat auf jeden Fall in seinem früheren Leben regelmäßig und gegen Bezahlung Grausamkeiten begangen«, sagte Wallander. »Das Tagebuch ist natürlich eine grausige Lektüre. Vielleicht lebt er heute in der Angst, daß der Inhalt ans Tageslicht kommt?«
»Wir müssen ihn ausfindig machen, mit anderen Worten«, sagte sie. »Das erste, was wir machen. Die Frage ist nur, wo wir anfangen sollen zu suchen.«
|138| Wallander nickte. »Das Tagebuch lag in Erikssons Safe. Bis auf weiteres ist das die deutlichste Spur, die wir haben. Auch wenn wir nicht vergessen dürfen, weiterhin unvoreingenommen zu ermitteln.«
»Du weißt, daß das unmöglich ist«, sagte sie verwundert. »Wenn wir eine Spur finden, sind wir nicht mehr unvoreingenommen.«
»Es ist mehr als Warnung gedacht«, sagte er ausweichend. »Daß es trotz allem eine falsche Spur sein kann.«
Als sie gehen wollte, klingelte das Telefon. Es war Svedberg, der Gösta Runfelts Sohn erreicht hatte.
»Er war völlig außer sich«, sagte Svedberg. »Er wollte sofort ein Flugzeug nehmen und herkommen.«
»Wann hat er zuletzt Kontakt mit seinem Vater gehabt?«
»Ein paar Tage bevor er nach Nairobi geflogen ist. Oder geflogen sein sollte, muß man wohl sagen. Alles war wie gewöhnlich. Dem Sohn zufolge freute sich der Vater immer auf seine Reisen.«
Wallander nickte. »Nun wissen wir das«, sagte er.
Dann reichte er Ann-Britt Höglund den Hörer, und sie verabredete mit Svedberg den Zeitpunkt für die Besprechung am nächsten Tag. Erst als sie schon wieder aufgelegt hatte, fiel Wallander ein, daß er ein Blatt Papier hatte, das Svedberg gehörte. Mit Notizen über eine Frau, die sich auf Ystads Entbindungsstation sonderbar aufgeführt hatte.
Ann-Britt Höglund beeilte sich, um zu ihren Kindern nach Hause zu kommen. Als Wallander allein war, rief er seinen Vater an. Sie verabredeten, daß er früh am Sonntag morgen kommen
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