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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gekämpft wird. Sie morden und plündern und ziehen sich danach zurück. Sie sind eine Mordpatrouille, sie sind Europäer und betrachten die Menschen, die sie töten, kaum als gleichwertige Wesen. Harald Berggren verbirgt seine Verachtung für die Schwarzen nicht. Er notiert begeistert, daß sie
laufen wie verwirrte Ziegen, wenn wir uns nähern. Aber Kugeln fliegen schneller, als Menschen springen und hüpfen
. Bei diesen Zeilen hätte Wallander das Tagebuch am liebsten an die Wand geworfen, doch er zwang sich weiterzulesen, nachdem er eine Pause gemacht und sich seine gereizten Augen gespült hatte. Er wünschte, er wäre beim Optiker gewesen und hätte schon die Brille, die er brauchte. Wallander stellt fest, daß Harald Berggren, sofern er in seinem Tagebuch nicht lügt, im Durchschnitt zehn Personen im Monat tötet. Nach sieben Monaten Krieg wird er krank und wird mit einem Flugzeug nach Leopoldville gebracht. Er hat Amöbenruhr, und offenbar geht es ihm mehrere |135| Wochen lang sehr schlecht. In dieser Zeit macht er keine Eintragungen. Aber als er ins Krankenhaus eingeliefert wird, hat er bereits mehr als fünfzig Menschen getötet in diesem Krieg, in dem er kämpft, anstatt Automechaniker in Schweden zu sein. Nach seiner Genesung kehrt er zu seiner Kompanie zurück. Einen Monat später sind sie in Omerutu. Sie stellen sich vor einen Stein, der kein Stein ist, sondern ein Termitenhügel, und der unbekannte Raul macht das Foto von ihm, Terry O’Banion und Simon Marchand. Wallander trat mit dem Foto ans Küchenfenster. Er hatte noch nie einen Termitenhügel gesehen. Aber ihm war klar, daß dies das im Tagebuch erwähnte Foto war. Drei Wochen später geraten sie in einen Hinterhalt, und Terry O’Banion wird getötet. Sie müssen sich zurückziehen, ohne den Rückzug organisieren zu können. Es wird eine panische Flucht. Wallander sucht nach einer Spur von Furcht bei Harald Berggren. Er ist überzeugt, daß sie vorhanden ist. Aber Harald Berggren verbirgt sie. Er schreibt nur, daß sie die Toten im Busch begraben und ihre Gräber mit einfachen Holzkreuzen markieren. Der Krieg geht weiter. Bei einer Gelegenheit veranstalten sie ein Zielschießen auf eine Affenherde. Bei einer anderen Gelegenheit sammeln sie an einem Flußufer Krokodileier. Seine Ersparnisse belaufen sich inzwischen auf 30   000   Kronen.
    Doch dann, im Sommer 1961, ist plötzlich alles vorbei. Das Ende des Tagebuchs kommt überraschend. Wallander dachte, daß es das auch für Harald Berggren gewesen sein mußte. Wahrscheinlich hatte er sich vorgestellt, daß dieser eigentümliche Dschungelkrieg ewig dauern würde. In den letzten Aufzeichnungen beschreibt er, wie sie in einem unbeleuchteten Transportflugzeug überstürzt das Land verlassen. Ein Motor der Maschine beginnt kurz nach dem Abheben von der Landebahn, die sie selbst im Busch angelegt haben, zu stottern. Das Tagebuch endet abrupt, so als sei Harald Berggren erschlafft oder als habe er nichts weiter zu sagen. Es endet da oben im Transportflugzeug, in der Nacht, und Wallander erfuhr nicht einmal, wohin das Flugzeug unterwegs war. Harald Berggren fliegt durch die afrikanische Nacht, das Motorgeräusch verklingt, und dann ist er nicht mehr da.
    Es war fünf Uhr am Nachmittag geworden. Wallander streckte |136| den Rücken und trat auf den Balkon hinaus. Eine Wolkenwand zog vom Meer heran. Es würde wieder Regen geben. Er dachte an das, was er gelesen hatte. Warum hatte das Tagebuch zusammen mit einem geschrumpften Menschenkopf in Holger Erikssons Safe gelegen? Wenn Harald Berggren noch lebte, wäre er heute gut fünfzig Jahre alt. Wallander fror draußen auf dem Balkon. Er ging wieder hinein und schloß die Tür. Dann setzte er sich aufs Sofa. Seine Augen schmerzten. Für wen hatte Harald Berggren das Tagebuch geschrieben? Für sich selbst oder für jemand anders? Es fehlte auch etwas.
    Wallander war noch nicht darauf gekommen, was es war. Ein junger Mann schreibt ein Tagebuch von einem entlegenen Krieg in Afrika. Seine Beschreibungen sind oft sehr detailliert, auch wenn sie insgesamt gesehen begrenzt sind. Aber es fehlt etwas. Etwas, was Wallander auch nicht zwischen den Zeilen lesen konnte.
    Erst als Ann-Britt Höglund zum zweitenmal an seiner Tür klingelte, kam er darauf. Er sah sie in der Tür und wußte plötzlich, was in Harald Berggrens Tagebuch fehlte. Es spielte in einer durch und durch von Männern dominierten Welt. Die Frauen, von denen Harald Berggren schreibt, sind entweder tot

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