Wallander 06 - Die fünfte Frau
in die Mariagatan hielt Wallander an und kaufte in einem Laden ein, der sonntags geöffnet war. Er konnte auch dem Impuls nicht widerstehen, einen Videofilm auszuleihen. Es war ein Klassiker,
Die Brücke im Nebel
. Er hatte ihn zusammen mit Mona in Malmö im Kino gesehen, als sie jung verheiratet waren. Aber er hatte nur noch eine vage Erinnerung daran, wovon er handelte.
Mitten im Film rief Linda an. Er sagte, er riefe zurück, hielt den Film an und setzte sich in die Küche. Sie sprachen fast eine halbe Stunde miteinander. Mit keinem Wort ließ sie ein Schuldbewußtsein erkennen, weil sie so lange nichts von sich hatte hören lassen. Er spielte auch nicht darauf an. Sie waren einander ähnlich und konnten beide zerstreut sein, aber auch konzentriert, wenn eine schwierige Aufgabe zu lösen war. Sie erzählte, daß es ihr gutging, daß sie in dem Restaurant auf Kungsholmen bediente und Schauspielunterricht nahm. Er fragte nicht danach, wie sie vorankäme. Er hatte ein bestimmtes Gefühl, daß sie auch ohnedies genügend Zweifel an ihren Fähigkeiten hatte.
Bevor sie auflegten, erzählte er ihr von seinem Vormittag am Strand.
»Hört sich an, als hättet ihr einen schönen Tag gehabt«, sagte sie.
»Ja«, bestätigte Wallander. »Es kommt mir vor, als hätte sich etwas verändert.«
Anschließend ging er hinaus auf den Balkon. Es war noch immer vollkommen windstill. Das war eine Seltenheit in Schonen.
Für einen Augenblick war jegliche Unruhe verschwunden. Jetzt wollte er schlafen. Morgen würde er wieder an die Arbeit gehen. Als er das Licht ausmachte, fiel sein Blick auf das Tagebuch.
Er fragte sich, wo Harald Berggren sich in diesem Augenblick wohl befand.
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Als Wallander am Montagmorgen, dem 3. Oktober, erwachte, hatte er das Gefühl, dringend noch einmal mit Sven Tyrén sprechen zu müssen. Ob er im Traum zu dieser Einsicht gelangt war? Er wartete nicht, bis er ins Präsidium kam. Während der Kaffee durchlief, rief er die Auskunft an und ließ sich Tyréns Privatnummer geben. Seine Frau meldete sich. Ihr Mann sei schon unterwegs. Wallander erhielt die Mobilnummer. Es knisterte und raschelte in der Leitung, als Tyrén sich meldete. Im Hintergrund hörte Wallander das dumpfe Motorgeräusch des Lasters. Sven Tyrén befand sich auf der Landstraße kurz vor Högestad. Er hatte noch zwei Lieferungen zu erledigen, bevor er ins Depot nach Malmö fuhr. Wallander bat ihn, so schnell wie möglich ins Präsidium zu kommen. Als Tyrén fragte, ob sie den Mörder Holger Erikssons gefaßt hätten, sagte Wallander, daß es lediglich um ein Routinegespräch gehe. Sie befänden sich immer noch in einem frühen Stadium der Ermittlungen. Sie würden den Mörder schon noch erwischen. Vielleicht bald. Aber es konnte auch eine langwierige Angelegenheit werden. Sven Tyrén versprach, gegen neun Uhr im Präsidium zu sein.
»Und parken Sie lieber nicht vor der Einfahrt«, sagte Wallander. »Das kann ein Kuddelmuddel geben.«
Sven Tyrén murmelte etwas Unverständliches.
Um Viertel nach sieben kam Wallander ins Präsidium. Kurz vor der Glastür besann er sich anders und wandte sich nach links zum Eingang der Staatsanwaltschaft. Er wußte, daß Per Åkesson ebenso ein Frühaufsteher war wie er selbst. Als er anklopfte, wurde er auch prompt hereingerufen.
Per Åkesson saß hinter seinem wie üblich überhäuften Schreibtisch. Der Raum war ein Chaos – überall Papiere und Aktenordner. Aber der Schein trog. Per Åkesson war ein außerordentlich |145| effektiv arbeitender und gewissenhafter Staatsanwalt, und Wallander hatte gern mit ihm zu tun. Sie kannten sich schon lange und hatten über die Jahre ein Verhältnis zueinander entwickelt, das weit über das rein Berufliche hinausging. Es kam vor, daß sie einander private Dinge anvertrauten, den anderen um Hilfe oder Rat baten. Dennoch gab es eine unsichtbare Grenze, die sie nie überschritten. Richtig enge Freunde würden sie nie werden können. Dazu waren sie zu verschieden. Per Åkesson nickte erfreut, als Wallander eintrat. Er stand auf und machte einen Stuhl frei, auf dem ein Karton mit Akten für eine Verhandlung vor dem Amtsgericht am gleichen Tag lag. Wallander setzte sich. Per Åkesson bat die Vermittlung, keine Gespräche durchzustellen.
»Ich habe damit gerechnet, daß du dich meldest«, sagte er. »Vielen Dank für die Karte übrigens.«
Wallander hatte vergessen, daß er Per Åkesson aus Rom eine Karte geschrieben hatte. Soweit er sich jetzt erinnern
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