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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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brauchen.
    Der Arzt erhob sich von den Knien. Wallander hatte ihn schon einmal getroffen, kam aber in der Eile nicht auf seinen Namen.
    »Es sieht aus, als sei er erwürgt worden«, sagte er.
    »Nicht erhängt?«
    Der Arzt hielt die Hände hin. »Mit zwei Händen erwürgt«, sagte er. »Das gibt ganz andere Druckstellen als ein Tau. Die Daumen sind deutlich sichtbar.«
    Ein starker Mann, dachte Wallander sofort. Eine gut trainierte Person. Die auch nicht zögert, mit den Händen zu töten. »Wie lange her?« fragte er.
    »Unmöglich zu sagen. Im Laufe der letzten vierundzwanzig Stunden. Kaum vorher. Sie müssen den Bericht des Gerichtsmediziners abwarten.«
    »Können wir ihn abnehmen?« fragte Wallander.
    |181| »Ich bin fertig«, sagte der Arzt.
    »Und ich kann anfangen«, murmelte Nyberg.
    Ann-Britt Höglund war neben sie getreten. »Vanja Andersson ist da«, sagte sie. »Sie wartet da unten in einem Wagen.«
    »Wie hat sie es aufgenommen?« fragte Wallander.
    »Es ist natürlich eine schreckliche Art, geweckt zu werden. Aber ich hatte das Gefühl, daß sie nicht überrascht war. Sie hat wohl die ganze Zeit befürchtet, daß er tot wäre.«
    »Das habe ich auch«, sagte Wallander. »Ich nehme an, du auch?«
    Sie nickte, sagte aber nichts.
    Nyberg hatte das Seil abgewickelt. Gösta Runfelts Körper lag auf einer Bahre.
    »Holt sie«, sagte Wallander. »Und dann kann sie wieder nach Hause.«
    Vanja Andersson war sehr blaß. Wallander bemerkte, daß sie schwarz gekleidet war. Hatte sie die Sachen schon bereitgelegt? Sie sah das Gesicht des Toten, rang heftig nach Atem und nickte.
    »Sie können ihn als Gösta Runfelt identifizieren?« fragte Wallander. Innerlich stöhnte er über seine einfältige Art, sich auszudrücken.
    »Er ist so mager geworden«, murmelte sie.
    Wallander horchte sofort auf. »Wie meinen Sie das?« fragte er. »Mager?«
    »Sein Gesicht ist ja vollständig eingefallen. So sah er vor drei Wochen nicht aus.«
    Wallander wußte, daß der Tod das Gesicht eines Menschen stark verändern konnte. Aber er hatte das Gefühl, daß Vanja Andersson von etwas anderem redete. »Sie meinen, er hat abgenommen, seit Sie ihn zuletzt gesehen haben?«
    »Ja. Er ist furchtbar mager geworden.«
    Wallander hielt das, was sie sagte, für wichtig. Er konnte aber noch nicht entscheiden, wie er es deuten sollte. »Sie brauchen nicht länger zu bleiben«, sagte er. »Wir fahren Sie nach Hause.«
    Sie sah ihn mit einem hilflosen und verlorenen Gesichtsausdruck an. »Was soll ich mit dem Laden machen?« fragte sie. »Mit den ganzen Blumen?«
    |182| »Morgen brauchen Sie nicht zu öffnen. Fangen Sie damit an. Denken Sie nicht weiter als bis dahin.«
    Sie nickte stumm. Ann-Britt Höglund begleitete sie zu dem Polizeiwagen, der sie wieder nach Hause fahren sollte.
    Wallander dachte nach. Fast drei Wochen ist Gösta Runfelt spurlos verschwunden. Als er wieder auftaucht und vielleicht erwürgt an einem Baum festgezurrt hängt, ist er stark abgemagert. Wallander wußte, was das bedeutete: Gefangenschaft.
    Er stand ganz still und folgte seinem Gedankengang. Auch Gefangenschaft konnte von einer Kriegssituation hergeleitet werden. Soldaten machten Gefangene.
    Er wurde unterbrochen, als Lisa Holgersson auf dem Weg zu ihm über einen Stein stolperte und beinah hinfiel.
    Er dachte, daß er sie genausogut sofort vorbereiten konnte auf das, was bevorstand.
    »Du siehst aus, als ob dir kalt wäre«, sagte sie.
    »Ich habe vergessen, einen dickeren Pullover anzuziehen«, sagte Wallander. »Es gibt Dinge, die lernt man nie.«
    Sie nickte zu der Bahre hin, auf der Gösta Runfelt eben zum Leichenwagen hinuntergetragen wurde, der irgendwo auf dem abgeholzten Platz wartete. »Was glaubst du?«
    »Derselbe Täter, der Holger Eriksson umgebracht hat. Es wäre unsinnig, etwas anderes anzunehmen.«
    »Er scheint also erwürgt worden zu sein.«
    »Ich will nicht gern voreilige Schlüsse ziehen«, sagte Wallander. »Aber natürlich kann ich mir vorstellen, wie das Ganze vor sich gegangen ist. Er hat noch gelebt, als er an den Baum gebunden wurde. Vielleicht war er bewußtlos. Aber er ist hier erwürgt und zurückgelassen worden. Außerdem kann er keinen Widerstand geleistet haben.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Das Seil war locker gewickelt. Mit einiger Anstrengung hätte er sich befreien können.«
    »Kann das lockere Seil nicht gerade darauf hindeuten, daß er gezerrt hat und versucht hat, Widerstand zu leisten?«
    Gute Frage, dachte Wallander, Lisa

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