Wallander 06 - Die fünfte Frau
waren. Wallander dachte an die Ereignisse der beiden letzten Wochen. Ein Mann liegt aufgespießt in einem Graben. Ein anderer Mann ist an einen Baum gebunden. Konnte der Tod abstoßender sein? Natürlich war es auch kein schöner Anblick, den |188| Vater zwischen seinen Bildern liegen zu sehen. Er dachte, daß er Baiba sehr bald wiedertreffen mußte. Schon am Abend würde er sie anrufen. Er ertrug die Einsamkeit nicht mehr und fühlte sich gejagt. Er war seit fünf Jahren geschieden und auf dem besten Wege, ein zottiger und menschenscheuer Hund zu werden. Das wollte er nicht.
Kurz nach acht kam er ins Präsidium. Als erstes holte er sich Kaffee und rief Gertrud an. Sie klang erstaunlich gelöst. Seine Schwester Kristina war noch da. Weil Wallander so eingespannt war wegen der laufenden Ermittlungen, hatten sie sich geeinigt, zusammen die kleine Hinterlassenschaft des Vaters zu ordnen. Die Aktiva bestanden fast ausschließlich aus dem Haus in Löderup. Aber es gab so gut wie keine Schulden. Gertrud hatte gefragt, ob Wallander einen bestimmten Wunsch hätte. Zunächst verneinte er, überlegte es sich dann aber anders und suchte ein Bild mit Auerhahn aus den Stapeln mit fertigen Bildern heraus, die an den Wänden lehnten. Aus irgendeinem Grund, den er sich jedoch nicht klarmachen konnte, wollte er nicht das Bild haben, an dem der Vater malte, als er starb. Das Bild, das Wallander ausgesucht hatte, lag noch in seinem Zimmer im Polizeigebäude. Er hatte sich immer noch nicht entscheiden können, wo er es aufhängen wollte. Oder ob er das überhaupt wollte.
Dann wurde er wieder Polizist.
Als erstes überflog er eine Zusammenfassung eines Gesprächs, das Ann-Britt Höglund mit der Landbriefträgerin geführt hatte, die bei Holger Eriksson die Post ausfuhr. Ihm fiel auf, daß sie gut schrieb, ohne unbeholfene Sätze und nebensächliche Details. Offenbar lernte die neue Generation von Polizisten, bessere Berichte abzufassen als seine Generation.
Aber ihr Bericht schien nichts von Bedeutung für ihre Ermittlungen zu enthalten. Holger Eriksson hatte das kleine gelbe Schild zum Zeichen, daß er mit der Briefträgerin sprechen mußte, zum letzten Male vor mehreren Monaten herausgehängt. Soweit sie sich erinnern konnte, ging es um einige einfache Einzahlungen. Aufgefallen war ihr in der letzten Zeit nichts. Alles auf dem Hof hatte einen völlig normalen Eindruck gemacht. Sie hatte auch weder fremde Autos noch fremde Menschen in der Gegend beobachtet. |189| Wallander legte den Bericht zur Seite. Dann nahm er seinen Block und machte ein paar Notizen über die Dinge, die jetzt als erstes zu erledigen waren. Jemand mußte einmal gründlich mit Anita Lagergren in dem Reisebüro in Malmö sprechen. Wann hatte Gösta Runfelt seine Reise gebucht? Was beinhaltete eigentlich eine solche Orchideenreise? Für ihn galt das gleiche wie für Holger Eriksson. Sie mußten sich ein Bild von seinem Leben machen. Nicht zuletzt wären sie gezwungen, ausführlich mit seinen Kindern zu reden. Außerdem wollte Wallander mehr über die technische Ausrüstung wissen, die Gösta Runfelt bei Secur in Borås gekauft hatte. Wozu sollte sie verwendet werden? Was wollte ein Blumenhändler mit diesen Dingen? Er war überzeugt, daß dieser Punkt entscheidend war, um zu verstehen, was passiert war. Wallander schob den Block zur Seite und blieb mit der Hand auf dem Telefonhörer sitzen. Er zögerte. Es war Viertel nach acht. Es konnte sein, daß Nyberg schlief. Aber es war nicht zu ändern. Er wählte die Nummer von Nybergs Mobiltelefon. Nyberg meldete sich sofort. Er war noch immer draußen im Wald, weit weg von seinem Bett.
Wallander fragte, wie er mit der Untersuchung des Tatorts vorankäme.
»Wir haben gerade die Hunde hier«, sagte Nyberg. »Sie haben die Witterung des Seils aufgenommen und bis zum Abholzungsplatz verfolgt. Aber das ist ja nicht erstaunlich, weil es der einzige Weg ist, der hierherführt. Ich denke, wir können annehmen, daß Gösta Runfelt nicht zu Fuß gegangen ist. Es muß ein Auto im Spiel gewesen sein.«
»Irgendwelche Wagenspuren?«
»Eine ganze Menge. Aber was wozu gehört, kann ich natürlich noch nicht sagen.«
»Und sonst?«
»Eigentlich nichts. Das Seil ist von einer Seilerei in Dänemark.«
»In Dänemark?«
»Ich tippe, es wird ungefähr überall da verkauft, wo es Seile gibt. Es wirkt auf jeden Fall neu. Für den Zweck gekauft.«
Wallander spürte Unbehagen. Dann stellte er die Frage, derentwegen |190| er angerufen
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