Wallander 06 - Die fünfte Frau
er nach der Rückkehr aus Rom gespürt hatte. Nichts war mehr davon da.
Er mußte seine ganze Kraft aufwenden, um die düsteren Gedanken zu vertreiben. Martinsson und Hansson kamen durch den Wald getrabt, kurz darauf Ann-Britt Höglund und Nyberg. Hinter ihnen die Männer aus dem Krankenwagen und Nybergs Techniker. Danach Svedberg. Zum Schluß ein Arzt. Sie machten den Eindruck einer schlecht geordneten Karawane, die sich verirrt hat. Er sammelte seine engsten Mitarbeiter in einem Kreis um sich. Ein Scheinwerfer, der an einen tragbaren Generator angeschlossen war, richtete sein gespenstisches Licht bereits auf den Mann, der am Baum hing. Wallander dachte an das makabre Erlebnis am Graben auf Holger Erikssons Grundstück. Jetzt wiederholte es sich. Nur der Rahmen war ein anderer. Und doch vergleichbar. Die Szenarien hingen zusammen.
»Das ist Gösta Runfelt«, sagte Wallander. »Es gibt keinen Zweifel. Trotzdem müssen wir Vanja Andersson herholen. Es läßt sich nicht ändern. Wir müssen die Identität so schnell wie möglich formell bestätigt bekommen. Aber es hat Zeit, bis wir ihn da abgenommen haben. Das muß sie nicht sehen.«
Dann referierte er in knappen Worten, wie Lars Olsson Gösta Runfelt gefunden hatte.
|179| »Er ist seit fast drei Wochen verschwunden«, fuhr er fort. »Aber wenn ich mich nicht irre, und wenn Lars Olsson recht hat, dann ist er noch keine vierundzwanzig Stunden tot. Zumindest hat er nicht länger hier am Baum gehangen. Die Frage ist also: Wo war er in der Zwischenzeit?«
Dann beantwortete er die Frage, die noch keiner von ihnen gestellt hatte, die aber die einzig logische war. »Ich kann nicht an einen Zufall glauben«, sagte er. »Es muß derselbe Täter sein, nach dem wir auch im Fall Holger Erikssons suchen. Jetzt müssen wir herausfinden, was diese beiden Männer gemeinsam haben. Eigentlich sind es drei Ermittlungen in einer: Holger Eriksson, Gösta Runfelt, und beide zusammen.«
»Und was, wenn wir keinen Zusammenhang finden?« fragte Svedberg.
»Wir finden einen«, sagte Wallander bestimmt. »Früher oder später. Beide Morde machen den Eindruck, auf eine Weise geplant zu sein, die die zufällige Wahl eines Opfers ausschließt. Das war kein ganz allgemein Verrückter. Diese beiden Männer sind zu einem bestimmten Zweck getötet worden, aus bestimmten Gründen.«
»Gösta Runfelt war wohl kaum homosexuell«, sagte Martinsson. »Er ist Witwer mit zwei Kindern.«
»Er kann bisexuell gewesen sein«, erwiderte Wallander. »Für diese Art von Fragen ist es noch zu früh. Wir haben jetzt erst einmal dringendere Aufgaben.«
Der Kreis löste sich auf. Es bedurfte nicht vieler Worte, um die Arbeit zu organisieren. Wallander stellte sich neben Nyberg, der darauf wartete, daß der Arzt fertig wurde.
»Nun ist es also wieder passiert«, sagte Nyberg mit müder Stimme.
»Ja«, sagte Wallander, »und wir müssen wieder einmal herhalten.«
»Gerade gestern habe ich mich entschlossen, ein paar Wochen Urlaub zu nehmen«, sagte Nyberg. »Wenn wir rausgefunden hätten, wer Holger Eriksson umgebracht hat. Ich habe gedacht, ich fahre auf die Kanarischen Inseln. Vielleicht nicht besonders einfallsreich. Aber wärmer.«
|180| Nyberg ließ sich selten auf persönliche Gespräche ein. Wallander spürte, daß er seiner Enttäuschung darüber Ausdruck gab, daß aus dieser Reise auf absehbare Zeit nichts werden würde. Er sah, daß Nyberg müde und fertig war. Die Arbeitsbelastung war oft erdrückend. Wallander nahm sich vor, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit mit Lisa Holgersson darüber zu sprechen. Sie hatten kein Recht, in dieser Weise mit Nybergs Gesundheit Raubbau zu treiben.
Noch während er darüber nachdachte, sah er, daß Lisa Holgersson zum Mordplatz herausgekommen war. Sie stand bei Hansson und Ann-Britt Höglund.
Lisa Holgersson hat es wahrhaftig von Anfang an knüppeldick bekommen, dachte Wallander. Bei diesem Mord werden die Massenmedien Amok laufen. Björk hat diesen Druck nicht ausgehalten. Jetzt werden wir sehen, ob sie es schafft.
Wallander wußte, daß Lisa Holgersson mit einem Mann verheiratet war, der für ein internationales Computerunternehmen tätig war. Sie hatten zwei erwachsene Kinder. Als sie nach Ystad kam, hatten sie sich in Hedeskoga, nördlich der Stadt, ein Haus gekauft. Aber er war noch nicht bei ihr gewesen und hatte auch ihren Mann noch nicht getroffen. Er hoffte, daß es ein Mann war, der ihr gerade jetzt eine Stütze sein konnte. Das würde sie
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