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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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müssen ergründen, warum Gösta Runfelt nicht nach Nairobi gereist ist. Wir müssen herausfinden, warum er, bevor er verschwand und dann starb, eine hochmoderne Abhöranlage bestellte. Wir müssen eine Verbindung finden zwischen diesen beiden Männern, die ihr Leben vollständig getrennt voneinander gelebt zu haben scheinen. Weil die Opfer nicht zufällig ausgewählt sind, muß ganz einfach ein Zusammenhang existieren.
    Noch immer hatte keiner einen Kommentar abzugeben. Wallander meinte, daß es am besten war, die Sitzung zu beenden. Vor allem brauchten sie jetzt alle ein paar Stunden Schlaf. Am Morgen würden sie sich wieder treffen.
    Sie gingen schnell auseinander, als Wallander nichts mehr zu sagen hatte.
    Draußen hatten Regen und Wind zugenommen. Als Wallander über den nassen Parkplatz zu seinem Auto hastete, dachte er an Nyberg und seine Techniker. Aber er dachte auch an das, was Vanja Andersson gesagt hatte. Daß Gösta Runfelt abgemagert war in den drei Wochen, seit er verschwunden war.
    Wallander konnte sich nur schwer einen anderen Grund dafür vorstellen als eine Gefangenschaft. Die Frage war nur, wo er gefangengehalten worden war.
    Warum? Und von wem?

|186| 14
    Wallander schlief unter einer Wolldecke auf der Couch in seinem Arbeitszimmer, weil er schon nach wenigen Stunden wieder aufstehen mußte. In Lindas Zimmer war alles still gewesen, als er nach der Sitzung im Präsidium nach Hause kam. Er war aus dem Schlaf hochgeschreckt, schweißgebadet, nach einem Alptraum, den er sich nur mit Mühe in Erinnerung rufen konnte. Er hatte von seinem Vater geträumt, sie waren wieder in Rom gewesen, und es war etwas passiert, was ihn erschreckt hatte. Was es war, blieb im dunkeln. Vielleicht war der Tod im Traum schon mit ihnen nach Rom gereist, als Vorwarnung? Er setzte sich auf und zog die Decke um sich. Es war fünf Uhr. Gleich würde der Wecker klingeln. Schwer und unbeweglich saß er da. Die Müdigkeit war wie ein mahlender Schmerz in seinem Körper. Er mußte seine ganze Kraft mobilisieren, um sich zum Aufstehen zu zwingen und ins Badezimmer zu gehen. Nach dem Duschen fühlte er sich ein bißchen besser. Er machte Frühstück und weckte Linda um Viertel vor sechs. Vor halb sieben waren sie auf dem Weg zum Flugplatz. Linda war kein Morgenmensch und sagte nicht viel unterwegs. Erst als sie von der E6 abgebogen und auf den letzten Kilometern vor Sturup waren, schien sie aufzuwachen.
    »Was war denn los in der Nacht?« fragte sie.
    »Jemand hat im Wald eine Leiche gefunden.«
    »Kannst du nicht ein bißchen mehr sagen?«
    »Ein Orientierungsläufer war auf einer Trainingsrunde. Da ist er fast über den Toten gestolpert.«
    »Und wer war das?«
    »Der Orientierungsläufer oder der Tote?«
    »Der Tote.«
    »Ein Blumenhändler.«
    »Hat er sich das Leben genommen?«
    |187| »Leider nicht.«
    »Was meinst du damit? Leider?«
    »Daß er ermordet wurde. Also eine Menge Arbeit für uns.«
    Sie saß eine Weile schweigend da. Jetzt sahen sie schon das gelbe Flugplatzgebäude.
    »Ich verstehe nicht, wie du das aushältst«, sagte sie.
    »Ich auch nicht«, gab er zurück. »Aber ich muß. Irgend jemand muß.«
    Die Frage, die darauf folgte, verblüffte ihn.
    »Glaubst du, ich könnte eine gute Polizistin werden?«
    »Ich dachte, du hättest ganz andere Pläne?«
    »Das habe ich auch. Antworte auf meine Frage!«
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Aber du könntest es sicher.«
    Mehr sagten sie nicht. Wallander hielt auf dem Parkplatz. Sie hatte nur einen Rucksack, den er aus dem Kofferraum hob. Als er mit ihr hineingehen wollte, wehrte sie ab.
    »Fahr wieder nach Hause«, sagte sie. »Du bist ja so müde, daß du kaum auf den Beinen stehen kannst.«
    »Ich muß arbeiten«, antwortete er. »Aber du hast recht: Ich bin müde.«
    Dann kam ein Moment der Wehmut. Sie sprachen von seinem Vater, Lindas Großvater. Den es nicht mehr gab.
    »Es ist so komisch«, sagte sie. »Ich habe im Auto daran gedacht. Daß man so lange tot ist.«
    Er murmelte eine Antwort. Dann verabschiedeten sie sich. Sie versprach, sich einen Anrufbeantworter anzuschaffen. Er sah sie durch die Glastüren, die vor ihr auseinanderglitten, verschwinden. Dann war sie fort.
    Er blieb im Auto sitzen und dachte darüber nach, was sie gesagt hatte. War es das, was den Tod so erschreckend machte?
    Daß man so lange tot sein sollte?
    Er ließ den Wagen an und fuhr los. Die Landschaft war grau und kam ihm so düster vor wie die Ermittlung, mit der sie beschäftigt

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