Wallander 07 - Mittsommermord
unkontrollierbaren Wutanfall bekommt.«
Sie blickten einander an und wußten beide, was der andere dachte. Bei einigen wenigen Gelegenheiten hatte Svedberg vollkommen die Fassung verloren. Seine Wutanfälle waren aus dem Nichts gekommen. Einmal hatte er fast sein gesamtes Büro kurz und klein geschlagen.
»Natürlich kann Svedberg selbst das Chaos hier angerichtet haben«, fuhr Wallander fort.
»Der Gedanke ist nicht abwegig. Und das bringt uns zu einer sehr wichtigen Frage.«
»Warum?«
»Genau! Warum?«
»Beim letztenmal, als Svedberg sein Büro zertrümmerte, war ich dabei. Hansson und Peters konnten ihn stoppen. Aber mir ist nie klargeworden, worum es eigentlich ging.«
»Björk war damals Chef. Er hatte Svedberg in sein Büro bestellt und ihn dafür verantwortlich gemacht, daß Beweismaterial verschwunden sei.«
»Was für Beweismaterial?«
»Unter anderem ein paar wertvolle lettische Ikonen. Es war ein großer und umfassender Hehlereiprozeß.«
»Svedberg wurde also des Diebstahls bezichtigt?«
»Der Schlamperei. Aber wenn etwas nicht auffindbar ist, liegt der Verdacht von Diebstahl natürlich nahe.«
»Und was geschah?«
»Svedberg fühlte sich gekränkt und machte sein Büro zu Kleinholz.«
|122| »Wurden die Ikonen gefunden?«
»Nein. Aber es gab natürlich keine Beweise. Der Hehler wurde übrigens trotzdem verurteilt.«
»Svedberg fühlte sich also gekränkt?«
»Ja.«
»Bringt uns das hier weiter? Svedberg zertrümmert seine Wohnungseinrichtung. Und anschließend wird er erschossen.«
»Ist es denkbar, daß sich noch eine Person hier befunden hat?« fragte sie plötzlich.
»Denkbar durchaus«, antwortete Wallander. »Das ist eins unserer Probleme. Wir wissen nicht, ob der Täter allein war oder ob sich noch weitere Personen im Raum befanden. Wir haben weder einen Hinweis auf das eine noch auf das andere.«
Sie verließen das Wohnzimmer.
»Hast du davon reden hören, daß Svedberg irgendwie bedroht wurde?« fragte Wallander im Flur.
»Nein.«
»Ist sonst jemand bedroht worden?«
»Es kommen ja ständig seltsame Briefe und Anrufe«, sagte sie. »Aber die sind natürlich registriert.«
»Geh einmal durch, was in der letzten Zeit gekommen ist«, sagte Wallander. »Außerdem wollte ich dich bitten, mit dem Zeitungsboten zu reden. Ob er oder sie irgend etwas bemerkt hat.«
Ann-Britt machte sich eine Notiz.
»Wo steckt bloß dieses verdammte Teleskop?« sagte Wallander.
»Wie finden wir diese Louise?« fragte Ann-Britt.
»Ich habe gleich eine Verabredung mit Ylva Brink«, antwortete Wallander. »Diesmal muß ich tiefer bohren.«
Er öffnete die Tür.
»Wir können sicher sein, daß die Waffe nicht Svedberg gehörte«, sagte Ann-Britt. »Er hatte auf seinen Namen keine Waffen angemeldet.«
Sie verschwand die Treppe hinunter. Wallander schloß die Tür und kehrte in die Küche zurück. Trank ein Glas Wasser. Dachte, daß er bald etwas essen mußte.
Er war müde. Er setzte sich auf einen Stuhl, lehnte den Kopf an die Wand und schlief ein.
|123|
Er befand sich hoch oben in einer Gebirgslandschaft, die in der Sonne glitzerte. Er fuhr Ski. Die Skier glichen denen in Svedbergs Keller. Er wurde immer schneller. Er fuhr abwärts. In eine Nebelwand. Plötzlich tat sich ein Abgrund vor ihm auf.
Er erwachte mit einem Ruck. Der Küchenuhr zufolge hatte er elf Minuten geschlafen.
Dann schrillte das Telefon. Er nahm ab. Es war Martinsson.
»Ich dachte mir, daß du da wärst«, sagte er.
»Ist etwas passiert?«
»Eva Hillström ist wieder hiergewesen.«
»Was wollte sie?«
»Wenn wir nichts unternehmen, will sie sich an die Presse wenden. Sie ist fest entschlossen.«
Wallander zögerte. »Ich glaube, ich habe heute einen falschen Beschluß gefaßt«, sagte er. »Ich wollte ihn morgen ändern, wenn wir uns treffen.«
»Und welcher ist das?«
»Svedberg hat natürlich klare Priorität. Aber diese drei verschwundenen Jugendlichen können wir nicht übergehen. Irgendwie müssen wir auch dafür Zeit finden.«
»Und wo nehmen wir die her?«
»Ich weiß es nicht. Aber wir sind ja nicht zum erstenmal mit Arbeit überhäuft.«
»Ich habe versprochen, Eva Hillström wieder anzurufen, wenn ich mit dir gesprochen hätte.«
»Tu das. Versuch, sie zu beruhigen. Wir nehmen uns der Sache an.«
»Kommst du her?«
»Ich bin schon auf dem Weg. Ich erwarte Ylva Brink.«
»Klären wir das mit Svedberg auf?«
Wallander spürte Martinssons Unruhe.
»Ja«, sagte er. »Aber es kann sehr schwierig
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