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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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krank zu werden.
    Natürlich wurde mein Name wegen meiner Äußerungen vor Gericht von Anfang an mit der undurchsichtigen Verschwörung in Verbindung gebracht, und von daher war es wahrscheinlich ganz richtig von mir, weiterhin so im verborgenen zu bleiben wie bisher (obwohl es sich, wie ich schon erklärt habe, um kein taktisches Vorgehen meinerseits handelte). Aber ich bin mir sicher, die oligarchische Bewegung betrachtete mich als ›einen von uns‹, während die Demokraten hinter vorgehaltener Hand von mir als ›einem von denen‹ sprachen. In Athen ist jeder entweder ›einer von uns‹ oder ›einer von denen‹, und das einzige, was sich ändert, sind die Definitionen von ›uns‹ und ›denen‹. Diese wechseln regelmäßig und sind danach nicht wiederzuerkennen, was allerdings nie jemand zu bemerken scheint. Manchmal frage ich mich, wie es gewesen wäre, wenn ich mein Leben in irgendeiner normaleren Stadt verbracht hätte, zum Beispiel in einer dieser friedlichen kleinen Ortschaften, die es auf Kreta oder Euböa geben soll, wo sich nie etwas ändert und sich keiner darum schert, was die eigene Stadt tut, weil diese über ein paar bescheidene Straßenausbesserungen hinaus sowieso keine Aufgaben hat. In gewisser Hinsicht ist das eine himmlische Vorstellung, aber ich fürchte, spätestens nach zehn Jahren wäre ich verrückt geworden, sofern ich nicht in jener Stadt zur Welt gekommen wäre und keine andere Lebensweise kennengelernt hätte.
    Wie die Dinge standen, befiel mich sogar in der selbstauferlegten Abgeschiedenheit in Pallene allmählich dieses Prickeln, das ein Athener empfindet, wenn in der Politik irgendein Ereignis bevorsteht. In meinem Fall trat dieses Prickeln am stärksten in denjenigen Teilen des Körpers und der Seele auf, die mit dem Verfassen von Anapästen zu tun haben. Die Denkweise der Menschen habe ich zwar nie ändern wollen, aber Anapäste schreibe ich trotzdem gern. Dadurch bekommt man das Gefühl, engagiert zu sein. Und Sie erinnern sich sicher, daß mir vor meiner Gerichtsverhandlung diese phantastische Idee für eine Komödie gekommen war, in der alle die verschiedenen Demen Attikas als ein Chor auftreten und sämtliche großen Führer der Vergangenheit aus dem Jenseits zurückkehren sollten, um Ratschläge zu erteilen. Der Auslöser dafür war wahrscheinlich die Szene, die Aristophanes und ich in der Schmiede bei Syrakus zusammengestellt hatten, wo Aischylos von uns wieder zum Leben erweckt worden war, um sich mit Euripides über Dichtung zu streiten. Als ich jedenfalls wieder genug Platz im Kopf hatte, dachte ich immer intensiver darüber nach, und die ganze Geschichte kam offenbar von allein in Gang. Zwar hatte ich ganz bewußt den Entschluß gefaßt, lange Zeit nichts mehr zu schreiben, aber die Komödie entwickelte sich in meinem Kopf wie die Schwangerschaft eines unverheirateten Mädchens, und es gab für mich kein Zurück mehr. Wenn sich Athen in einer Krise befand, müßte ich etwas schreiben, und dieses Etwas müßte von Belang sein.
    Es war Phaidra, die mich zum Bruch meines Versprechens brachte. Eines Abends saßen wir gemeinsam in meinem Haus in Pallene. Phaidra nähte an irgend etwas herum, und ich starrte mit offenem Mund ins Feuer, eine Tätigkeit, die rasch zu meiner beruflichen Lieblingsbeschäftigung wurde. Ganz zweifellos ärgerte das meine Frau, die stets bemüht war, mich nicht anzusehen, wenn ich so dasaß. An diesem bestimmten Abend verlor sie allerdings die Geduld mit mir.
    »Was ist bloß in dich gefahren, Eupolis? Wenn du nicht bald den Mund zumachst, kommt noch eine Spinne und webt ein Netz darüber.«
    »Jetzt hör auf mit diesem Gejammer. Es gibt doch wirklich nichts Dringenderes zu tun, oder?«
    Phaidra blickte mich an und sagte: »Irgend etwas stimmt doch nicht mit dir. Ich weiß zwar nicht, was, aber je eher du es loswirst, desto besser. Allmählich fühle ich mich in deiner Nähe unbehaglich.«
    »Ich habe keine Ahnung, was du meinst«, antwortete ich, legte die Füße auf die Liege und tat so, als schliefe ich ein.
    »Ich weiß jetzt auch, an wen du mich erinnerst«, fuhr Phaidra nach einer Weile fort. »Hast du noch diesen Mann vor Augen, der in der Nähe des Brunnens gewohnt hat? Der Kerl, der diese beiden Hunde hatte?«
    »Nur verschwommen«, murmelte ich. »Hieß der nicht Euthykritos?«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern, doch das ist sowieso unwichtig. Aber weißt du noch, daß er einen Schlaganfall hatte?« fragte Phaidra.
    »Stimmt, den

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