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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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hatte, die keine Bogen besaß und darum nicht zurückschießen konnte. Ich mußte unwillkürlich laut lachen, weil es mir umwerfend komisch vorkam, daß man nun unsere eigene schlaue Taktik auf diese Weise gegen uns anwandte, bis irgend jemand sehr böse auf mich wurde und mir drohte, mich umzubringen, falls ich nicht sofort damit aufhören würde. Zu meiner Rechtfertigung versuchte ich zwar, ihm den Witz zu erklären, aber er begriff die Pointe nicht. In der Zwischenzeit war es Demosthenes und seinem Geschwader gelungen, ein Loch in den Ring feindlicher Schiffe zu sprengen, und jetzt fuhr er so schnell wie möglich auf die Küste zu. Die athenischen Schiffe in der Mitte folgten ihm, soweit es ihnen möglich war, und strömten aus der Lücke, die er geschlagen hatte, wie Wasser aus einem undichten Schlauch. Doch die syrakusischen Reserven warteten schon und griffen sie an, wodurch ein noch furchtbareres Durcheinander entstand, bis der syrakusische Ring an einer weiteren Stelle durchbrochen wurde und auch dort Schiffe hinausströmten. Da so wenig Platz zum Manövrieren war, insbesondere wegen der überall umhertreibenden unbemannten oder sinkenden Schiffe, war keine der beiden Parteien imstande, allzuviel auszurichten. Es war einfach ein schrecklich verworrenes Gewühl, bei dem sich mir der Vergleich mit einem Netz aufdrängte, das gerade eingeholt und auf dem Boden eines Boots ausgeschüttet wurde. Die Schiffe entsprachen dabei den ganzen Fischen, die übereinander auf einem Haufen lagen und sich wie wild hin und her wanden und um sich schlugen.
    So schien das noch stundenlang weiterzugehen. Ich weiß nicht, als was Sie dieses Gemetzel bezeichnen würden – eine Seeschlacht war es jedenfalls nicht. Die Schiffe rammten sich nicht, sie stießen zusammen. Man hörte die Ruder wie die Äste eines umstürzenden Baums abbrechen. Überall erschollen die Schreie der Ruderer, wenn die Holme ihrer Ruder zurück- und durch ihre Körper gestoßen oder sie selbst gegen die Außenhaut des anderen Schiffs gequetscht wurden. Und dann brach hin und wieder eins unserer Schiffe aus und schoß, womöglich mit zur Hälfte gebrochenen Rudern oder einem großen Loch in der Seite, auf die Küste zu, und unsere Männer an Land feuerten es dann so verzweifelt an, daß man das Gefühl gewann, wir wären allesamt gerettet, wenn nur dieses eine Schiff entkäme. Manchmal schaffte es eins bis ans Land, und manchmal wurde es von einem syrakusischen Schiff eingeholt und mit einem Pfeilhagel eingedeckt, dem die Ruderer auf ihren Bänken zum Opfer fielen, so daß unsere Schiffe plötzlich Fahrt verloren, kläglich zum Stillstand kamen oder im Kreis umhertrieben und sich dabei wie ein Vogel mit einem gebrochenen Flügel abmühten. Einigen unserer Schiffe gelang es, selbst mit gebrochenen Rudern ihren Verfolgern zu entkommen und dorthin zu fahren, wo sie am Strand eine athenische Fußtruppe auszumachen glaubten, die sie schützen würde. Und dann schnellten sie, wie so mancher Thunfisch, vom seichten Wasser an den Strand, um dort feststellen, daß es sich bei den Männern, die sie gesehen hatten, nicht um Athener, sondern um Syrakuser handelte. Nach dieser Entdeckung machten sie sich nicht einmal mehr die Mühe zu kämpfen, sondern ließen sich einfach niederstrecken, wo sie gerade standen. Wann immer eins unserer Schiffe verlorenging, brüllten und schrien die Männer rings um mich und warfen sich voller Entsetzen zu Boden, als wären sie völlig verrückt geworden.
    Schließlich zogen sich die Syrakuser zurück. Wie ich hinterher hörte, waren ihnen die Pfeile ausgegangen, und sie hatten das Gefühl gehabt, nicht mehr erreichen zu können. Unsere Schiffe waren in der Lage, sich aus eigener Kraft zurück an Land zu schleppen, und auf jedem einzelnen von ihnen befanden sich Tote. Doch gerade als die Schlacht langsam ihrem Ende entgegenging, erblickten wir ein syrakusisches Schiff, das von zwei athenischen Schiffen auf uns zu getrieben wurde. Irgendwie war es von seiner Flotte getrennt worden, und unsere beiden Schiffe waren in seinen Rücken gelangt. In Anbetracht des traurigen Zustands, in dem sich die drei Schiffe befanden, war das Gefecht zwischen ihnen ein ungewöhnlicher Anblick. Es erinnerte mich an einen Kampf, den ich einmal zwischen drei klapprigen alten Männern gesehen hatte, in denen gerade noch genug Leben gewesen war, damit sie nicht umfielen. Dennoch hatten sie mit ihren Stöcken wild aufeinander eingeschlagen und ihre schwächlichen

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