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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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willst du weitergehen, oder was?«
    »Nein«, antwortete er in bestimmtem Ton. »Bring mich von diesem götterverlassenen Berghang runter, und zwar irgendwohin, wo es einigermaßen sicher ist. Wenn ich sterben sollte, werden meine Erben jeden Obolos von dir einklagen, den du besitzt.«
    Kurz darauf verlor er erneut den Verstand, und ich erkannte deutlich, daß er in miserabler Verfassung war. Natürlich hatte das Ganze auch eine komische Seite: Wir hatten beide das athenische Lager überlebt, in dem die Soldaten überall vom Fieber befallen worden waren, um es nun hier draußen im sauberen und gesunden Bergland zu bekommen.
    Plötzlich merkte ich, daß sich Regen ankündigte, was verheerende Folgen haben konnte. Deshalb schlang ich die Proviantbeutel um Aristophanes’ Hals, hob ihn mir auf den Rücken – er war so schwer, daß ich kaum gehen konnte – und marschierte in der Hoffnung los, irgendwo so etwas wie einen Unterschlupf zu finden. Es war schon fast dunkel, als ich ein kleines Steinhaus entdeckte, aus dem Licht drang und das von den kümmerlichsten Weinstöcken umringt war, die man sich vorstellen kann. Ich taumelte so schnell wie möglich dorthin und trat heftig gegen die Tür.
    »Verschwinde«, forderte mich von innen die Stimme eines alten Mannes auf.
    »Mach die verdammte Tür auf, oder ich trete sie ein!« drohte ich mit süßlicher Stimme, und nach einer Weile wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, und eine lange spitze Nase kam zum Vorschein.
    »Was willst du?« fragte die Nase.
    »Dieser Mann stirbt an Fieber«, antwortete ich. »Im Namen von Zeus, dem Gott der Gäste und der Gastfreundschaft, erbitte ich den Schutz deines Herdes.«
    »Wir haben keinen Herd, nur einen Dreifuß und ein Loch im Dach«, entgegnete die Nase unwirsch. »Für wen hältst du uns eigentlich? Für Millionäre?«
    Das war ganz durchtrieben, denn bei dem Gott, der mit Dreifüßen in Verbindung gebracht wird, handelt es sich um Apollon, und dem sind Gäste und Gastfreundschaft vollkommen schnuppe. Ich konnte meine Gedanken aber gerade noch rechtzeitig von diesen theologischen Spitzfindigkeiten losreißen, um meinen Fuß in die Tür zu stellen.
    »Wir sind zwei verzweifelte athenische Krieger, die von einer Schlacht geflohen sind«, sagte ich. »Wenn du mich nicht reinläßt, reiße ich dir sämtliche Weinstöcke aus dem Boden.«
    Die Nase entgegnete irgend etwas Unliebenswürdiges und öffnete schließlich die Tür. Jetzt, da ich auch den restlichen Körper sah, stellte sich heraus, daß sie zu einem uralten Mann gehörte, der früher einmal sehr groß gewesen sein mochte, inzwischen jedoch durch Alter und Rheumatismus kaum mehr über den Tisch gucken konnte. Ich kam mir furchtbar schlecht vor, weil ich ihm gegenüber meinen Eintritt so brutal erzwungen hatte, doch diese Gewissensbisse verflogen rasch, weil sich der alte Mann als ein außerordentlich boshafter Mensch erwies.
    »Was zu essen gibt es nicht, ich habe nämlich sämtliche Vorräte vergraben«, beeilte er sich zu sagen, wobei er das letzte Wort triumphierend hervorstieß, als hätte er mit Hilfe irgendwelcher geheimnisvoller Kräfte mein Kommen vorausgesehen. »Da mußt du mich erst umbringen.«
    »Ich habe selbst was zu essen«, antwortete ich. »Ich brauche nur einen Platz, an dem sich mein Freund ausruhen kann, bis das Fieber nachläßt. Ich bezahle dich auch dafür«, fügte ich geschickterweise hinzu.
    »Mich bezahlen?« Seine kleinen runden Augen leuchteten auf. »Mit Silbergeld?«
    »Mit echtem Silbergeld.«
    »Laß sehen.«
    »Dürfte ich erst mal meinen Freund hinlegen?«
    Er nickte gereizt, als mache er mir damit ein großes Zugeständnis. Ich legte Aristophanes auf einen Haufen Ziegenfelle auf dem Boden und streckte meinen Rücken gerade, was die reinste Wohltat war.
    »Zeig mir das Geld!« verlangte der alte Mann.
    Ich zog den Geldbeutel aus Leinen hervor, den ich im Dorf bekommen hatte, drehte dem Alten den Rücken zu und holte eine syrakusische Zweistatermünze heraus. Sie war nicht übermäßig abgegriffen und wies auch keine Löcher oder Zahlungskerben auf; kurz, sie war ein durch und durch überzeugendes Geldstück. Ich zeigte die Münze dem alten Mann, und er starrte sie verdutzt an.
    »Ach, so sehen diese Dinger also aus!« staunte er. »Kommende Weinernte werde ich dreiundsiebzig, und ich habe noch nie eine dieser Münzen gesehen.«
    Ich wartete kurz, um ihm die Möglichkeit zu geben, ihrer Faszination zu erliegen, und bot ihm dann an: »Wenn

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