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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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wie er mit dem Stück vorangekommen sei, woraufhin Philonides ihm erzählte, daß das jetzt zweitrangig sei.
    »Zweitrangig?« wiederholte Aristophanes angeekelt.
    »Richtig, zweitrangig.«
    »Das ist allerdings typisch für dich. Ist dir eigentlich klar, daß die Parabase in dem Stück eine vollkommene Verurteilung unserer sizilianischen Politik ist? Bei Zeus, wir haben diese Niederlage wahrhaftig verdient!«
    Nach etwa zwei, drei Stunden kam jemand und ließ uns heraus. Dann wies uns der Mann an, auf kürzestem Weg nach Hause zu gehen und dort zu bleiben und niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen zu verraten. Wie er weiter ausführte, werde dadurch allenfalls eine allgemeine Panik ausgelöst, und die Verkündung der Niederlage sei allein Aufgabe des Rats.
    Wir wurden durch den Hinterausgang nach draußen geleitet, mußten am Aschehaufen vorbeigehen und wurden dann von jeweils einem Polizisten nach Hause eskortiert. Alles andere als ein heldenhafter Empfang, dachte ich, aber andererseits, wen scherte das schon? Es war durchaus tröstlich, daß einige Dinge, wie zum Beispiel der Rat, noch immer genauso wie früher waren. Ich fragte mich, wie lange dieser Zustand anhalten werde.
    Der Polizist klopfte für mich an die Tür; ich nehme an, er argwöhnte damals, ich könnte durch ein geheimes Klopfzeichen eine verschlüsselte Nachricht übermitteln. Der Sklave öffnete die Tür und blickte mich verdutzt an, und der Polizist stieß mich mehr oder weniger durch die offene Tür ins Haus hinein.
    »Hallo, Thrax«, begrüßte ich den Sklaven. »Ist deine Herrin im Haus, oder ist sie auf dem Land?«
    »Sie ist hier, schläft aber noch«, antwortete er. »Wir haben gedacht, du bist in Sizilien, Herr.«
    »Das bin ich auch gewesen, aber nun bin ich nach Hause gekommen. Weißt du, seither ist eine ganze Menge passiert. Und jetzt geh und weck sie bitte, ja?«
    Er entfernte sich sofort, und ich zog mein Schwert und hängte es über den Türsturz an die Wand zurück, wo es seinen angestammten Platz hatte. Dort oben war es ein richtiges Schmuckstück.
    Nun gehe ich davon aus, daß Sie alle gebildete Menschen sind und Ihre Odyssee kennen und auch die Thebais und die Kleine Ilias gelesen haben, so daß ich die folgende Szene so beschreiben kann, wie ich es im Interesse der dramatischen Wirkung gern möchte, weil Sie sonst den Einwand erheben könnten, ich hätte sie von den Klassikern gestohlen. Das Anliegen, nicht den Eindruck zu erwecken, seine Vorgänger nur zu kopieren, stellt für einen Schriftsteller eine echte Schwierigkeit dar, und wenn sämtliche Annäherungsformen an ein bestimmtes Thema durch frühere Bemühungen der großen Meister bereits abgedeckt sind, bleibt für ihn häufig nur noch als letzte Möglichkeit, einfach das zu schreiben, was tatsächlich geschehen ist. Die einzige Literaturform, die für dieses Problem unempfänglich zu sein scheint, ist natürlich die Tragödie, aber Tragödiendichter mit ihrem Hang zum Höheren denken in völlig anderen Bahnen, um sich über solche Nichtigkeiten den Kopf zu zerbrechen. Ich habe sogar das Gefühl, daß sie hin und wieder in ihrer eigenen Welt leben. Aber der arme, leidgeprüfte Historiker verspürt diese Besorgnis wie sein permanenter Begleiter, der während des Schreibens neben ihm sitzt, und der ihm sagt: ›Nein, nein, das kannst du nicht machen, das hat es schon früher gegeben. Du mußt sie vom Berg hinab und dann nach links gehen lassen.‹ Oder: ›Du mußt verrückt sein, an dieser Stelle eine Schlacht einzufügen. Wir hatten erst im letzten Kapitel eine Schlacht, die genauso verlaufen ist.‹ Nun mag Ihr Historiker anfänglich durchaus den Ehrgeiz haben und ein solch hochgestecktes Ziel wie das für die Ewigkeit bestimmte Aufzeichnen des wirklich Wesentlichen dessen verfolgen, was tatsächlich geschehen ist, doch werden ihn spätestens die Leute, denen er aus seinem noch in Arbeit befindlichem Werk vorliest, davon abbringen. Nehmen wir zum Beispiel den berühmten Herodot. Als er seine Geschichtsberichte niederschrieb, verbrachte er Jahre damit, durch die ganze Welt zu ziehen, um sich bei alten Männern nach den Erzählungen ihrer Großväter zu erkundigen und deren Antworten auf Wachstafeln zu kritzeln. Als er wieder zu Hause war, kämpfte er sich erst einmal durch diesen Haufen von Fakten hindurch, beseitigte sämtliche Ungereimtheiten und schloß sogar mögliche Irrtümer in der chronologischen Reihenfolge aus, indem er den Umstand berücksichtigte, daß man

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